Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder! Wollen wir die Wahrheit über uns selbst erfahren, uns selber prüfen, dann treten wir gerne vor den Spiegel und betrachten uns kritisch. Denn ein Spiegel, der nichts verzerrt und nichts beschönigt, zeigt uns ungeschminkt die Wahrheit. Freilich wissen wir zu würdigen, dass ein Spiegel, so diskret wie kein anderer, das ihm anvertraute Geheimnis vergisst, sobald wir ihn verlassen haben.
Aber vor allem anderen schätzen wir an ihm sein unbestechliches Urteil. Der Spiegel kann nicht lügen. Das Bild, das er uns wiedergibt, ist stets objektiv und richtig. Ist das aber wirklich so?
Ein Spiegelbild allein mag wohl objektiv sein, aber wir schauen ja schon nicht vorurteilsfrei in den Spiegel hinein. Ob unser Urteil über uns selbst positiv oder negativ ausfällt, hängt vorrangig davon ab, mit welchen Augen wir hineinschauen.
Betrachten wir uns mit den Augen der Menschen, die uns nicht lieben, dann wird das Resultat vernichtend ausfallen. Gelingt es uns jedoch, uns selber so anzuschauen, wie die Menschen es tun, die uns lieben, dann werden wir mit dem Ergebnis durchaus leben können.
Nun befragen wir den Spiegel nicht nur in Hinsicht auf unser Aussehen; unsere Blicke suchen in ihm gleichzeitig ein umfassendes Urteil über unseren Wert und unsere Bedeutung. Und hier gilt das Gesagte in noch viel tieferem Sinne als bei der äußeren Erscheinung. Denn einmalig und wertvoll sind wir allein in den Augen derer, die uns lieben. Unentbehrlich und wichtig sind wir nicht an sich, sondern nur für die Personen, die in ihrer großen Zuneigung zu uns nicht mehr ohne uns leben wollen. Suchen wir also unser eigenes Bild mit den Augen deren, die uns lieben, und betrachten wir uns folglich selbst mit dem Blick der Liebe, dann werden wir mit uns selbst versöhnt und nehmen uns als das an, was wir sind.
Den Menschen aber, die uns grundsätzlich ablehnen, sollten wir nicht auch noch die Macht einräumen, unser Selbstbild zu bestimmen, sondern bei jedem Blick in einen Spiegel daran denken, dass wir uns unter Berücksichtigung der Liebe im Spiegel “verkehrt“ sehen. Gottes Liebe zu den Menschen und die Zuwendung der uns liebenden Menschen sind wahr und wirklich, wenn wir uns so sehen und annehmen; dann ist auch unser Spiegelbild im umfassenden Sinne wahr und richtig.
Ich wünsche uns allen, dass wir Menschen haben oder finden, die uns den Spiegel in diesem Sinne vor Augen halten.
(Nach: Hans-Joachim Eckstein: Du liebst mich, also bin ich Mittwoch/Donnerstag)
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Erstellt am: 23.08.2012 18:45 Uhr
