Zündfunke, Freitag 21.09.12

Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
„Wäre das schön, wenn man neu anfangen könnte. Einfach all das vergessen, was war. Sicherlich: Wir geben uns alle erdenkliche Mühe. Aber meine Frau schafft das nicht. Ich weiß nicht, was sie hat.“ Diese Zeilen hat mir einer unserer Überwinterer geschrieben und es entstand im Lesen seiner Zeilen bei mir der Eindruck, dass er der Überzeugung ist, dass das Alte mit der Zeit in Vergessenheit gerät, wenn man nicht mehr davon redet.

Dieses einfach „nicht mehr darüber reden“, halte ich für falsch. Das ist mir unlängst wieder bewusst geworden, als da an einem Sonntag folgende biblische Erzählung im Mittelpunkt stand. Da kam eine Frau zu Jesus, die von ihm die Heilung einer inneren Verletzung erhoffte, die sie schon jahrelang mit sich herum trug. Eine blutende Wunde, die einfach nicht heilen wollte und die sie mehr und mehr schwächte. Diesen Neuanfang wollte sie ganz ohne Worte hinbekommen und suchte deshalb heimlich die Nähe Jesu. Sie wollte nicht von dem reden, was sie da mit sich herumtrug.
Aber Jesus bemerkte diese Frau und er fragte nach ihr. Wahrscheinlich wusste er, dass Dinge in Vergessenheit geraten können; aber sie kommen nicht in Ordnung, wenn man sie einfach totschweigt. Und selbst wenn man wirklich vergessen kann und vergessen hat, was war: Die Gefühle bleiben. Z.B. das Gefühl, dass mich mal jemand im Stich gelassen hat; das Gefühl, dass mich jemand ausgenutzt hat; das Gefühl, dass mich jemand nicht ernstgenommen hat – solche Gefühle bleiben, sie tun weh und sie erzeugen in einem die Angst, dass es wieder so passieren könnte.
Die Frau in der Bibel sagt Jesus dann doch die „ganze Wahrheit“. Sie spürt in seinem Beisein: Es muss auf den Tisch, was mich so verletzt hat. Und selbst wenn der andere es gar nicht gewollt oder auch gar nicht gemerkt hat, was da mit mir passiert ist und es deshalb nicht versteht – es hat mich verletzt und es ist immer noch in mir und tut weh.
Der Mann, der von seiner Frau schreibt: „Ich weiß auch nicht, was sie hat!“ trifft es ja genau. Er weiß es nicht. Weil sie es sich wahrscheinlich nicht zu sagen traut, er es vielleicht gar nicht hören und wissen will oder weil es beiden zu anstrengend ist, darüber zu reden. Aber erst wenn man weiß, was den anderen eigentlich so verletzt hat, kann man um Verzeihung bitten und Verzeihung gewähren. Dann – und nur dann kann wirklich ein neuer Anfang gelingen. Und selbst wenn er misslingt, dann weiß man wenigstens warum!
Von Jesus heißt es: er spürte, wie anstrengend das ist, die Wahrheit zur Kenntnis zu nehmen. Und von der Frau wird erzählt, dass sie zitterte. Die Wahrheit sagen und sie hören – beides kostet Kraft. Aber die Bibel ist sich auch sicher: Allein die Wahrheit hilft weiter. Der Frau damals hat es geholfen. Ihre Verletzung hörte auf zu bluten, sie konnte neu anfangen. Eigentlich ist das doch genug Motivation.

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Erstellt am: 21.09.2012 18:16 Uhr

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