Andrea Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Montag, 31.10.2011
Der Reformationstag, ist der evangelische Feiertag. Er erinnert uns Christen daran, dass Martin Luther vor knapp 500 Jahren seine 95 Thesen an der Schlosskirchentür in Wittenberg angeschlagen und somit einen gewaltigen Stein ins Rollen gebracht hat. Zwar gehört der Anschlag an der Kirchentür in Wittenberg wohl in den Bereich der Legende, aber Luther hat am 31. Oktober 1517 diese Thesen an seine Lehrer verschickt, und in gewisser Weise hat damit die Reformation begonnen, die unsere gemeinsame christliche Kirche bis auf den heutigen Tag trennt. Als katholische Seelsorgerin freue ich mich, gerade in dieser Woche den Zündfunken zu sprechen und so am Reformationstag allen Christen in Erinnerung rufen zu können, welches Anliegen Martin Luther denn eigentlich hatte.
Seit 1514 ist Luther Theologieprofessor und Prediger in Wittenberg. Als Seelsorger seiner Gemeinde bekommt er recht bald mit, wie die Menschen seiner Zeit ihren Glauben leben, dass sie nicht mehr zur Beichte kommen, stattdessen Ablassbriefe kaufen, um sich somit das Seelenheil zu erkaufen. Diese Praxis ist Luther völlig zuwider. Der Handel mit Ablassbriefen nimmt in dieser Zeit ständig zu, unter anderem auch deshalb, weil die Kurie in Rom mal wieder dringend Geld braucht. Am 31.10. des Jahres 1517 schreibt Luther deshalb an seine kirchlichen Vorgesetzten. Er hofft, damit den Missstand beheben zu können. Diesem Brief legt er 95 Thesen bei, die als Grundlage für einen Meinungsaustausch dienen sollen. Außerdem schickt er diesen Brief auch noch an wenige Freunde. Die Reaktionen auf seine Aktion fallen unterschiedlich aus. Es gibt große Zustimmung auf der einen, aber auch völlige Ablehnung von der anderen Seite. Und plötzlich stehen sich humanistische Gelehrte und einige Fürsten vielen Teilen der römischen Kirche und vor allem den Ablasspredigern gegenüber. Luther sieht sich durch den wachsenden Druck genötigt, seine Thesen durch weitere Schriften zu erläutern, und genau dadurch ist die Lawine nicht mehr aufzuhalten. Luther wird als Ketzer gebrandmarkt, und im Jahre 1518 wird in Rom der Prozess gegen ihn eröffnet.
Das eine ist die geschichtliche Seite; die für mich als Christin aber viel bedeutendere ist die religiös- menschliche Betrachtungsweise. Luther wurde von seinem Bestreben getrieben, seine Stimme gegen all die Ungerechtigkeiten und Auswüchse in und mit der Religion zu erheben. Er wollte gegenüber Gott und den Menschen gerecht und gut sein.
Wenn wir das heute in unseren Kirchen genauso sehen, so leben und handeln, gerecht und gut vor Gott und den Menschen zu sein, dann würden wir, so denke ich, zumindest an der Basis eine Trennung nicht mehr spüren.
Dienstag, 01.11.2011
Guten Morgen!
Am heutigen ersten November feiern Christen Allerheiligen. Allerheiligen ist eigentlich ein sehr fröhliches Fest, das in naher Verbindung zu Ostern steht. Dieses Fest lenkt unseren Blick auf diejenigen, die ihre Aufgabe als Mensch schon erfüllt haben. Allerheiligen zeigt uns, wohin es auch für uns einmal gehen wird – es verweist auf unser Ziel, auf unser Ziel bei Gott. Heilige, Heiliggesprochene, sind für manche immer noch irgendwelche Ausnahmegestalten, die aufgrund eines oder mehrerer Besonderheiten in ihrem Leben, irgendwann einmal, von irgendeinem Papst heiliggesprochen wurden. Genau mit dieser Sichtweise der Heiligen liegen wir aber voll daneben. Denn, Heilige sind Menschen, die uns exemplarisch sagen wollen, wie das Leben letztendlich gelingen kann. Und dazu ist jeder von uns berufen. Wir sind von Gott auserwählt, mit ihm in voller Gemeinschaft zu leben. Das allerdings scheint oft ein unerreichbares Ziel zu sein. Aber Allerheiligen beweist uns das Gegenteil. Es gibt Menschen, die bereits an diesem Ziel angekommen sind. Und die meisten von ihnen haben dies nur durch viele Kämpfe mit sich selbst erreicht, keiner wurde als Heiliger geboren, sondern hat sich diesen Weg mühsam erarbeitet. Die Heiligen sind nicht nur Vorbilder. Sie gehören zu uns und zu der Gemeinschaft der Christen dazu. Sie können uns Wegweiser, Begleiter, Vorbilder, Hilfestellung auf unserem Weg mit und zu Gott sein. Allerheiligen zeigt uns auch, wie groß und unterschiedlich die Zahl der Heiligen ist; also derjenigen, die zu Christus gehören, und die mit ihm eine Gemeinschaft bilden. Der fröhliche Charakter des Festes Allerheiligen wird oft leicht getrübt, da das Fest mit Allerseelen, dem Gedenktag für die Toten, und da besonders die einem nahestehenden, verbunden wird. Dies hat nicht nur praktische Gründe, da an Allerheiligen nicht gearbeitet werden muss, denn wenn man Allerseelen aus der Sicht von Allerheiligen betrachtet, dann kann dies schon ein wenig den Schrecken des Todes mildern. Allerheiligen ist und bleibt die Verbindung der Menschen im Himmel und auf der Erde in und durch Jesus Christus. Allerheiligen ist ein Fest, das uns helfen kann, unsere Endlichkeit besser zu begreifen und zu bewältigen.
Nach einer Idee von Thomas Gerold
Mittwoch, 02.11.2011
Einen wunderschönen guten Morgen!
„Der Herbst, der Herbst, der Herbst ist da, er bringt uns Obst hei hussasa“! So singen die Kinder jetzt wieder. Aber nicht nur Obst und bunte Blätter bringt uns der Herbst, diese Jahreszeit erinnert uns Menschen auch immer an unsere eigene Endlichkeit und Vergänglichkeit. Selbst, wenn uns das hier auf der Insel des ewigen Frühlings nicht allzu sehr auffallen mag. Aber auch hier leben und sterben Menschen. Nur die Erinnerung an diese Thematik fällt vielleicht in einem deutschen Herbst leichter als im herbstlichen Frühling hier auf der Insel.
Einmal im Jahr werden wir alle, ob wir wollen oder nicht, an den Tod erinnert. Viele Bücher wurden und werden zum Thema „Tod“ geschrieben, aber immer noch sind wir Meister des Verdrängens – was Tod und Sterben angeht. An Allerheiligen und Allerseelen geht vielen dieses Thema mehr oder weniger unter die Haut. Zumindest aber machen uns die Gedanken um dieses Thema etwas leiser oder besinnlicher.
Allerseelen ist ein Gedächtnistag in der römisch-katholischen Kirche, der an unsere Verstorbenen erinnert. Das ursprüngliche Anliegen dieses Tages war, neben dem Beten und dem Almosengeben, den verstorbenen Seelen im Fegefeuer beizustehen. 1311 wurde der Tag offiziell in den römischen Kalender aufgenommen. Zu Allerseelen werden deshalb auch die Gräber der Verstorbenen besonders geschmückt, sowie Grablichter, sogenannte „Seelenlichter“, aufgestellt.
Abschied nehmen von einem geliebten Menschen fällt immer schwer, vor allem dann, wenn dieser Abschied endgültig ist. Da tut es gut, dass es Tage im Jahresablauf gibt, die einem den Schmerz zwar nicht wegnehmen, die aber mit festen Riten und Gebräuchen das Ertragen des Abschiednehmens erleichtern.
Die Verstorbenen rücken an einem solchen Tag noch stärker in den Mittelpunkt der Familie, in der sie Zeit ihres Lebens gelebt und gewirkt hatten. Nähe und Verbundenheit können wieder auftreten, es ist genau diese Nähe, die sich nicht nur auf das Erleben von äußerer Nähe begrenzen lässt.
Diese Nähe kann durch einfache Zeichen zum Ausdruck gebracht werden. So werden wir heute Abend im Gottesdienst in San Telmo in Puerto de la Cruz für jeden Verstorbenen des letzten Jahres ein Licht entzünden und ihn so mit hineinnehmen in die Gottesdienstgemeinschaft, und damit deutlich machen, dass der Tod nicht das Ende aller Beziehungen sein kann.
Donnerstag, 03.11.2011
Guten Morgen!
Zum Thema: „Wie sieht Gott aus, und was kommt nach dem Sterben“?, antwortete ein Mädchen aus der 4. Klasse folgendermaßen: „Gott fühlt sich gut an“!
Kinder denken, reden und malen in Bildern, deshalb ist es gut, Kindern solche Fragen zu stellen, denn die Antworten darauf können uns Erwachsene oft verblüffen. Kinder erkennen die Wirklichkeiten, die man besser in Bildern ausdrückt, nämlich genauer als wir. Denn wir Erwachsenen und die Theologen im Besonderen meinen ja immer schon, genau zu wissen, was und wie etwas ist. Kinder reden meist ohne Scheu über Tod und Trauer. Und sie können ihre Vorstellungen von Himmel beschreiben – in frohen und farbigen Bildern. Kinder sehen im Tod nicht nur das Schreckliche, denn sie nehmen wahr, dass der Tod für den, der stirbt, nicht schlimm ist. Sie berichten von der schwerkranken Großmutter, dem krebskranken Onkel, von Elternteilen, die bereits gestorben sind. Und sie benennen das Schwere am Tod – nämlich – dass diejenigen, die den Tod miterleben müssen, ihn nicht wirklich begreifen.
Den Weg zum Himmel beschreiben sie in bunten Farben, begleitet von Sternen, Engeln und Schmetterlingen. Und – sie glauben fest daran, dass nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere in den Himmel kommen. Wo der Himmel allerdings ist, das wissen auch sie nicht, aber sie stellen sich ihn irgendwo hinter all dem, was wir sehen können, vor.
Friedlich ist es dort, schön und fröhlich geht es zu – wie im Paradies eben. Und es gibt keine Angst, keine Schläge und keinen Krieg mehr.
Allen geht es gut im Himmel, denn sie sind ja nun bei Gott. Kinder stellen sich Gott zwar irgendwie vor, dass man ihn aber nicht sehen, sondern nur spüren kann – haben sie längst begriffen. Und sie sagen: „Das Leben bei Gott fühlt sich gut an“!
Ich wünschte mir, dass viel mehr Menschen sich diese kindlich – reife Einstellung zum Thema Tod und Auferstehung bewahren könnten, um so dem Leben und dem Tod im Erwachsenenalter besser gegenüber treten zu können.
Freitag, 04.11.2011
Einen wunderschönen guten Morgen!
Im Buch Jesus Sirach im Alten Testament können wir unter anderem folgendes lesen:
„Was du auch tust – bedenke das Ende!“ –
Stimmen Sie diesem Satz zu, sehen Sie ihn als eine Ermutigung, oder eher als eine Zumutung oder gar als eine Provokation?
Nicht nur bei Unternehmensberatern liegt genau dieser Satz voll im Trend „Was du auch tust – bedenke das Ende“!
Diesen Satz sollten wir alle so verinnerlichen, dass wir ihn jeden Tag mit uns tragen, und alles was wir tun, sollte so bedacht sein. Denn, was geklärt ist, belastet nicht mehr, und das gilt auch für die Gedanken im Umgang mit dem eigenen Tod.
Ich stelle mir heute mal vor, heute wäre mein letzter Tag auf dieser Erde. Was würde ich mit diesem Tag wohl anfangen?
Wo möchte ich die letzten Stunden verbringen? Und mit wem? Was für schöne Gedanken kämen zur Sprache? Was müsste ich klären, was verzeihen und wen um Verzeihung bitten? Und dankbar möchte ich sein für Vieles.
Aber ich werde mich auch mit den Menschen auseinandersetzen müssen, die mich nicht leiden konnten, oder mit denen ich so meine Schwierigkeiten hatte. Ja, und dann denke ich auch an die oft wegen Nichtigkeiten entstanden Streitereien, Rechthabereien und Besitzansprüche. Will ich das alles mit hinüber nehmen, oder lasse ich das alles los und zurück?
Nachfolgende Gedanken des Dichters Rainer Maria Rilke (1875-1926) helfen mir dabei:
„Ich lebe mein Leben
in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten
vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.“
Das ist aber noch nicht alles. Als nächstes stellt sich mir die Frage, was erwartet mich da, da wo ich hinkomme? Ich glaube, dass dort Gott auf mich wartet, in seinem hellen wunderbaren Licht. Dieser Glaube gibt mir Hoffnung für mein jetziges und mein zukünftiges Leben.
Samstag, 05.11.2011
Guten Morgen!
Deutschland und November; das heißt Nebel, oder die sogenannte Novemberstimmung. Hier auf der Insel kann man sie, je nach Wetterlage, in der Gegend um den Nordflughafen über das ganze Jahr verteilt, antreffen. Und nicht nur Autofahrer wissen um die Gefährlichkeit dieses Nebels. Grund für mich, den Nebel mal etwas genauer zu betrachten und über ihn nachzudenken, denn Nebel kann auf verschiedene Weise zu einem Bild für unsere menschliche Wirklichkeit werden. Nebel bedeutet mehr als das allseits bekannte Sprichwort, ich fühle wie im Nebel, ich war vernebelt und was sich da sonst noch um den Nebel rankt.
Nebel: er steht dem Anspruch entgegen, alles wissen und haben zu wollen. Er schützt das Leben vor dem Zugriff. Damit nicht alles und jedes enthüllt und bloßgestellt wird. Damit nicht jegliches Feingefühl zerfällt.
Nebel: er weist auf die Liebe hin. Einander lieben, einander immer besser verstehen heißt auch, um das Geheimnis der Geliebten, des Geliebten wissen. Heißt anerkennen, dass die Tiefen ihrer Seele, seiner Seele verborgen bleiben. So lerne ich die Einzigartigkeit des anderen achten.
Nebel: er lässt mich dem nachspüren, was hinter den Dingen verborgen ist. Wenig sieht das Auge, aber es ahnt Unendlichkeit.
Nebel: in ihm verbirgt sich die Hoffnung auf Licht und auf Klarheit. Er ist Vorbote dafür, dass wir Gott einmal ganz schauen werden. Der Apostel Paulus bringt es klar in folgendem Bild:
„Jetzt schauen wir in einen Spiegel
und sehen nur rätselhafte Umrisse,
dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.
Jetzt erkenne ich unvollkommen,
dann aber werde ich durch und durch erkennen.“
(1 Korinther 13,12)
Sonntag, 06.11.2011
Einen wunderschönen Sonntagmorgen!
„Ene mene mu und raus bist du“.
Wann haben Sie diese Worte zum letzen Mal gehört oder sogar selbst gesagt? Das liegt wahrscheinlich lange zurück – 30, 40 Jahre, 50 Jahre oder mehr? Damals als Kind, auf der Straße – das war der Auszählreim, wenn Sie ‚Räuber und Gendarm‘ gespielt haben oder ‚Der Kaiser schickt seine Soldaten aus‘ oder einfach nur Verstecken…
Vielleicht ist es bei manchen aber auch nur ein paar Tage her, seit sie diesen Worten begegnet sind. Könnte ja sein, denn:
es kann schnell gehen und du bist draußen: aus der Firma, aus der Wohnung, aus der Gesundheit, aus dem Freundeskreis, aus der Partnerschaft, aus der Familie, aus deinem Verein, aus deinem Land.
„Ene mene mu und raus bist du.
Wenn es nach Gott geht, ist und bleibt keiner draußen. Aus seiner Liebe kann man gar nicht rausfliegen. Er kündigt sie nicht auf. Aus seiner Liebe wird auch niemand ausgeschlossen. Dazu heißt es in der Bibel: (Galaterbrief 3,26 – 28) „Bei euch Christen ist nicht Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier, nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus. Ihr gehört alle zusammen, durch die Liebe, mit der Gott euch liebt“.
Das gilt auch für den, der aufgrund seiner körperlichen Beschwerden nicht mehr so am allgemeinen Leben teilnehmen kann. Der immer weniger Besuche erhält, weil er sich nicht revanchieren kann. Der keine Feiern mehr gestalten kann – und deshalb wird auch zum Geburtstag nicht mehr gratuliert.
Das gilt auch für den, der mit seinem Freundeskreis aufgrund seiner Arbeitslosigkeit nicht mehr jeden Ausflug mitmachen kann, und sich auch nur noch ab und zu einen Kneipenbesuch gönnt.
Das gilt auch für den, der aufgrund eines eingestandenen Fehlers von allen gemieden wird.
Bei Gott ist keiner draußen. Wenn das stimmt, dann kann ich doch die Augen nicht verschließen, wenn es um mich herum zugeht wie beim Auszählen: und raus bist du.
Infos unter:
Erstellt am: 31.10.2011 00:03 Uhr
