Am 3.Advent werden wir mit dem Wochenspruch aufgefordert, uns auf Gottes Kommen in Jesus Christus vorzubereiten.
Bereitet dem Herrn den Weg; denn siehe, der Herr kommt gewaltig.
Was das für unser persönliches Leben und auch für das Zusammenleben in einer Kirchengemeinde bedeutet, davon ist in unsere heutigen Predigttext die Rede.
Wir hören aus Römer 15,4-13
4 Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und durch den Trost der Schrift Hoffnung haben.
5 Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß,
6 damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.
7 Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.
8 Denn ich sage euch: Christus ist ein Diener der Juden geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind:
9 die Heiden aber sollen Gott loben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht; „Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.“
10 Und wiederum heißt es: „Freut euch, ihr Heiden mit seinem Volk!“
11 Und wiederum: „Lobet den Herrn, alle Heiden, und preist ihn, alle Völker!“
Und wiederum spricht Jesaja: „Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais und wird aufstehen, um zu herrschen über die Heiden; auf den werden die Heiden hoffen.“
13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.
(Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Weg)
Liebe Gemeinde,
Der heutige Predigttext enthält eine Fülle von theologischen Aussagen und auch eine Fülle von alttestamentlichen Zitaten, die wir beim einmaligen Hören kaum aufnehmen können.
Es braucht Zeit und Geduld, um solche Texte zu verstehen und um sie in unseren Lebensalltag zu übersetzen.
Paulus weiß offenbar darum, wenn er zum Beginn schreibt, dass Geduld vonnöten ist, um aus der Schrift, die uns zur Lehre geschrieben ist, Trost und Hoffnung zu schöpfen.
Wir leben in einer Zeit, in der alles schnell und einfach zu gehen hat. Das hätten wir auch auch gern im religiös-spirituellen Bereich. Aber so einfach geht es nicht, wenn es um den Glauben und die Umsetzung ins Leben geht. Wir brauchen da Geduld und ein ständiges Lernen, um ein Leben zu finden, das -wie Paulus schreibt- Christus Jesus entspricht, ihm gemäß
ist. Dass ein solches Leben nicht machbar ist, obgleich wir unseren Teil durchaus beitragen können und müssen, das wird schon daran deutlich, dass Paulus dieses Christus gemäße Leben nicht als Forderung, sondern als Segenswunsch formuliert: Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß, , damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.
Einträchtig gesinnt sein untereinander, Christus Jesus gemäß,
ein solches Verhalten ist unter Menschen – auch unter Christen, alles andere als selbstverständlich. Eintracht und Einmütigkeit ist keine Gegebenheit, sondern das Ziel eines mitunter mühsamen Wegs, den zu gehen wir im Glauben gewiesen sind. Was wir aber können und auch im Gottesdienst tun,ist, dass wir Gott in Liedern loben – einmütig mit einem Munde – und so auf Gott ausgerichtet bleiben. Welche Folgen das für unser Verhalten hat beziehungsweise wie wir Gott mit unserem Verhalten loben können, darauf werden wir heute in der Mitte unseres Textes hingewiesen in den Worten:
Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.
Dieses Bibelwort ist mir im Laufe meines Pfarrdienstes immer wieder begegnet. Es wurde von Gemeindegliedern gewünscht
als Denkspruch bei der Konfirmation, als Trauspruch und als Text bei der Beerdigung.
Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen zu Gottes
Lob.
Mit diesem Bibelwort wird gleichsam auf den Kern unseres christlichen Glaubens hingewiesen. So wie Jesus Christus die Menschen in Wort und Tat angenommen hat, um die Liebe seines Vaters zu bezeugen, so möchten auch wir einander annehmen in der Familie, in der Gemeinde und in der Welt.
Nehmt einander an – das klingt einfach, ist aber gar nicht leicht zu verwirklichen. Kleinigkeiten – auch in einer Kirchengemeinde- können uns zu schaffen machen und zu Konflikten und Trennungen führen. Es kann mitunter schwer werden, den anderen, der anders ist als ich, auszuhalten. Es bedarf da wohl eines ständigen Lernens und Reflektierens
auch über mein eigenes Verhalten. Das griechische Wort
für annehmen kann auch übersetzt werden mit tragen, aufnehmen, jemand in sein Haus aufnehmen. Wenn wir einander einladen zum Essen oder auch länger, dann kommen wir uns näher und lernen einander kennen mit unseren Stärken und mit unseren Schwächen. Hier, in der Unterschiedlichkeit, will die Liebe sich bewähren, die heilend unser Leben verändert.
Einander annehmen heißt freilich nicht, dass wir vom anderen alles hinnehmen und uns alles gefallen lassen müssen. Zeiten der Distanzierung und der Aufarbeitung sind notwendig, wenn wir verletzt und gekränkt werden. Wir müssen, auch in der
Kirche, uns fragen, was dient beziehungsweise was schadet der Gemeinschaft, was ist wahr und was ist falsch. Dostojewskji, ein russischer Schriftsteller hat einmal in seinem Tagebuch geschrieben: „Hätten wir nicht in Christus einen Maßstab, würden uns in allem verirren.“
Einander annehmen heißt nicht, der Beliebigkeit das Wort reden und alle Überzeugungen für gut heißen. Um die Wahrheit darf gerungen und auch gestritten werden, aber konstruktiv und nicht destruktiv und verletzend. Hier können wir von Jesus in den Evangelien lernen. Jesus hat niemanden aufgegeben. Er ist den Menschen, die aufgrund ihres Lebenswandels ausgegrenzt waren, in Liebe begegnet und hat ihnen so zu einem neuen gottentsprechenden Leben verholfen.
Die Begegnung Jesu mit dem Zöllner Zachäus ist dafür ein
anschauliches Beispiel. Jesus kehrte im Hause des Zöllners ein, der von Frommen seiner Zeit gemieden wurde. Durch diese unerwartete Annahme änderte Zachäus sein Leben grundlegend.
Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat.
Dieses Wort schreibt Paulus an Gemeindeglieder, die sich im Blick auf die christliche Lebensführung uneinig waren. Sie stritten sich beispielsweise um die Frage, ob man Fleisch essen darf, das zuvor anderen Göttern geweiht war. Es gab zwei Parteien, die einen, von Paulus als die Schwachen bezeichnet, lehnen dies ab; während die anderen, von Paulus als die Starken bezeichnet, freier denken. Paulus ist wohl mehr der Gruppe der Starken zuzuordnen, wenn wir seine Worte im 1.Korintherbrief denken: Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht über mich haben.
Wenn Paulus im heutigen Text beide Parteien, die Starken und die Schwachen, bittet, sie sollen sich annehmen wie Christus sie angenommen hat, dann könnte das heißen: Die Starken sollen auf die Schwachen Rücksicht nehmen und sie nicht vor den Kopf stoßen: und die Schwachen sollen ihre aus Angst geborene Überzeugung überdenken und gegebenenfalls korrigieren.
„Einmütig gesinnt sein“ heißt nicht Einigkeit in allen Sachfragen. Ich denke, auch in der Kirche dürfen wir unterschiedliche Meinungen haben und um die richtige Lösung auch streiten.
In Isny, wo ich 18 Jahre Klinikpfarrer war, stand an der Wand eines alten Patrizierhauses ein Leitspruch, der auf die Reformation zurückgeht und der zum Ausdruck bringt, was für ein gesundes Miteinander notwendig ist:
in necessariis unitas – in notwendigen Dingen Einigkeit.
In dubiis libertas – im Zweifel Freiheit
in omnibus caritas – in allem Liebe.
Auf dieser Basis lernen wir einander in aller Verschiedenheit anzunehmen und wo nötig auch auszuhalten in der Familie, in der Kirchengemeinde und in der Welt.
Und dabei können wir uns immer wieder neu an dem ausrichten, an dessen Kommen uns die Adventszeit erinnert.
In ihm, in Jesus Christus, haben sich die Verheißungen Gottes für die Väter und für alle Völker erfüllt, von denen im heutigen Predigttext die Rede ist. Wenn wir heute im Predigttext ausdrücklich aufgefordert werden, Gott zu loben, dann tun wir das, wenn wir miteinander Lieder singen und uns gegenseitig
achten und annehmen.
Gott selbst gebe uns dazu seinen Segen wie Paulus am Schluss schreibt:
Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Amen
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Erstellt am: 11.12.2011 04:37 Uhr
