Zündfunke, Sonntag 29.04.12

Einen wunderschönen Sonntagmorgen wünsch ich Ihnen!
Vor drei Wochen haben wir Ostern gefeiert und manchmal wird man den Eindruck nicht los, als sei das schon wieder eine Ewigkeit her. Dabei soll jeder Sonntag ein Osterfest sein – eine Erinnerung daran, dass wir zum Leben berufen sind und auch Leben ermöglichen sollen. Genauso, wie es nachfolgende Geschichte deutlich macht, die ich dieses Jahr vor Ostern in einem Artikel einer Ordensfrau gefunden habe:

Er sitzt vor mir, kräftig und energiegeladen, mit langen blonden Haaren und blauen Augen. Ohne aufzublicken schlingt er die Suppe in sich hinein. Es ist gleich 14 Uhr und der junge Mann ist der letzte Gast in unserer Suppenküche. Etwa 300 Obdachlose haben vor ihm eine Suppe bekommen, dazu Kaffee und Brot. Zwischenzeitlich sind die Töpfe leer. Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer haben schon mit dem Abwaschen, Aufräumen und Putzen begonnen.
„Boah“, sagt er auf einmal und blickt mich an: „Suuuuper, wie die schmeckt. Meine erste Suppe in Freiheit, nach 5 Jahren Knast. Einfach Spitze!“ „Wie?“, frage ich, „die erste Suppe nach fünf…?“ – „Ja, ich bin heute Morgen erst aus dem Knast gekommen. Aus Werl. Fünf Jahre habe ich dort gesessen wegen bewaffnetem Raubüberfall. Mit 19. Das ist jetzt mein erstes Essen in Freiheit.“
„Und … haben sie … eine Wohnung und … Geld?“, frage ich zögerlich. „Eine Wohnung schon und einen Sozialbetreuer auch. Aber am Geld happerts. Ich will zur Arbeitsvermittlung, da hinten, zwei Strassen weiter, kennen sie die?“
„Nein, ich komme nicht von hier“, beeile ich mich zu sagen. Sein Teller ist leer. „Noch mal soll mir das nicht passieren“, sagt der junge Mann, während er sich Kaffee nachschenkt. „Das habe ich mir fest vorgenommen. Fünf Jahre sind genug. Jetzt wird alles anders.  
Die Zeit drängt. Ich muss beim Aufräumen mithelfen. Alle anderen Gäste haben die Suppenküche bereits verlassen. Mein Gegenüber zieht seine Jacke an und bedankt sich. „Alles Gute“, rufe ich ihm nach. Vor der Tür dreht er sich noch einmal um: „Und die Suppe war spitze. Ganz ehrlich!“ Dann dreht er sich um und verschwindet im Sonnenlicht.
Warum ich ihnen diese Geschichte erzählt habe, nachdem eingangs noch davon die Rede war, dass jeder Sonntag ein Osterfest sein soll? Nun weil für mich dadurch die Bedeutung von Ostern deutlicher wird – denn:
Ostern, das ist wie die erste Suppe in Freiheit nach fünf Jahren Knast!
Ostern, das ist wie wenn der junge Mann das Leben in Freiheit packt und meistert. Und wenn andere es auch packen und ihm Arbeit und Wohnung geben.
Ostern, das ist wie wenn niemand zu ihm sagt: Selbst Schuld! Du hättest das Ding damals ja nicht drehen müssen.
Ostern, das ist wenn unsere Gesetze so sind, dass jemand, der unten ist, nicht unten bleiben muss.
In diesem Sinne – ihnen allen einen schönen, aber auch nachdenklichen und an Ostern erinnernden Sonntag!

Infos unter:

Erstellt am: 29.04.2012 09:37 Uhr

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