Zündfunke, Dienstag 05.06.12

Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz

Einen wunderschönen guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!

Lohnt es sich, anständig zu sein? Lohnt es sich wirklich, Versprechen einzuhalten, ehrlich und wahrhaftig zu sein und sich an keinem Betrug zu beteiligen? All diese Fragen scheinen etwas Gestriges an sich zu haben. Schon der Begriff „anständig“ klingt heutzutage überaus antiquiert und wie das Gegenteil von pfiffig, flexibel und intelligent.
Ganz zu schweigen von dem, was wirklich lohnend ist. Denn lohnend ist doch z.B. einen Bagatellschaden am Auto zum Anlass zu nehmen, auf Versicherungskosten des anderen gleich den ganzen Kotflügel ersetzen zu lassen. Oder – wo das möglich ist – das Essen mit der Familie als Geschäftsessen zu deklarieren, um es von der Steuer absetzen zu können. Ja hoppla, das macht doch jeder und Schaden tut es doch auch niemanden – oder? Im Gegenteil: Man kommt sich doch irgendwie dumm vor, wenn man da nicht mitmacht, wo doch so viele damit Erfolg haben. Das hat auch der Psalmdichter erkannt, der in der Bibel schreibt: „Wahrhaftig, so sind die Frevler: Immer im Glück häufen sie Reichtum auf Reichtum. Ich dagegen hielt mein Herz umsonst rein, denn ich werde alle Tage geplagt.“ Der Dichter ist drauf und dran, seine bisherige gradlinige Lebensweise aufzugeben, weil er um sich herum nur anderes wahrnimmt. Aber dann dämmert’s ihm, was er dabei möglicherweise aufs Spiel setzt. Denn eines ist klar: Bislang lebte er im Reinen oder auch im Einklang mit sich selbst, musste sich vor sich selbst nie schämen. Jeden Morgen konnte er frei und aufrichtig, ohne ein schlechtes Gewissen vor seinen Gott treten. Genau das aber setzt er aufs Spiel, wenn er für materielle Vorteile sein Verhalten ändert. Das ist es ihm aber bei weitem nicht wert und so kommt er zu dem Ergebnis: „Ich bleibe bei Dir, mein Gott, denn neben Dir erfreut mich nichts mehr auf der Erde.“
So gesehen ist Anstand nicht nur eine gesellschaftliche Konvention, nicht nur eine bereits weit überholte bürgerliche Tugend. Nein, vielmehr ist sie der gern gezahlte Preis dafür, dass man auch weiterhin – wenigstens halbwegs – guten Gewissens in den Spiegel schauen kann und mit sich selbst im Reinen ist. Dass man das, was einem wichtig ist, seine eigenen Werte eben nicht für einen fragwürdigen materiellen Vorteil verrät. Wie sagt der Volksmund: „Unrecht Gut gedeiht nicht!“ Das Leben mancher unserer Zeitgenossen mag uns diese Volksweisheit in Frage stellen lassen. Aber weitaus wichtiger finde ich, dass man selbst nicht gedeiht, wenn man seinen eigenen Maßstäben untreu wird – die man ja im Übrigen immer auch anderen abverlangt und bei ihnen voraussetzt. Vielleicht lohnt es doch, in diesem Sinne „anständig“ zu sein.   

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Erstellt am: 05.06.2012 09:24 Uhr

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