Zündfunke, Sonntag 10.06.12

Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen Sonntagmorgen wünsch ich Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer!
Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine: Özil, Schweinsteiger und Co. strahlen von unzähligen Werbeplakaten. Dabei erinnere ich mich, gab es 2006 bei der WM in Deutschland eine Ausstellung in Frankfurt, die mich allein schon durch einen Film, den ich über sie gesehen habe, tief beeindruckt hat. Die Ausstellung hatte zum Thema: Fußball und Religion und stand unter dem Motto: „Helden-Heilige-Himmelsstürmer“.

Da gab es z.B. einen 13 m langen Bilderfries, den ein Frankfurter Eintracht-Fan mit Autogrammbildern von Spielern seit der Gründung des Vereins vor über 100 Jahren gesammelt hatte. In der Mitte prangte der Eintracht-Adler und um ihn herum stand in großen Buchstaben: „Eintracht ist meine Religion – bis in alle Ewigkeit“. Als Gegenstück wurde eine Ikone präsentiert, die die Heiligen für jeden Tag des Jahres zeigt – schön nach Monaten angeordnet. Mit der gleichen Geduld und liebevollen Hingabe, mit der der Eintracht-Fan seine „Helden“ geordnet und zusammengefügt hatte, hatte hier wohl ein Mönch vor Jahrhunderten diese Kalenderikone mit den 365 Heiligen gestaltet.
Aber nicht nur Bilder gab es zu bestaunen. Da wurde auch einer Replik des DFB-Pokals ein reich verzierter Abendmahlskelch aus der orthodoxen Kirche gegenübergestellt und ein Fußball mit den Unterschriften der Nationalmannschaft von 1954 stand in derselben Vitrine wie eine goldene Monstranz mit einer Kreuzreliquie aus der Deutschordenskirche. Und noch etwas enthielt die Reliquien-Vitrine: eine Metallschiene, die jahrelang das Bein von Eintracht-Fußballer Charly Körbel stabilisierte.
Videos zeigten singende Kirchenbesucher und singende Fußballfans. Auf Tafeln sah man Texte von Vereinsliedern: „Leuchte auf mein Stern Borussia“, „Bayern München, Stern des Südens“, „Rot wie Blut und weiß wie Schnee, das sind die Fans vom VFB“. Fangruppen pilgerten zum Stadion und inmitten eines Spaliers von jubelnden Anhängern fuhr die deutsche Nationalmannschaft zum Frankfurter Römer. Bilder von einer Wallfahrt, einer Fronleichnamsprozession und Gläubigen auf dem Petersplatz zeugten von ähnlicher Begeisterung und gleichen Abläufen.
Vielleicht fragen Sie sich jetzt auch: Ist das nicht Blasphemie? Ist Fußball vielleicht doch eine säkularisierte Religion? Diese Fragen wollte die Ausstellung nicht beantworten, sondern zur Diskussion stellen. Es ging in erster Linie um Rituale und Gefühle. Die aber kann man in einem Museum nicht ausstellen, sondern nur die Gegenstände, die aus Gefühlen heraus entstanden sind und diese symbolisieren. Ich denke schon, dass Fußball und Religion oft dieselben Gefühle wecken – nämlich Glaube, Hoffnung und selbstverständlich auch Liebe.

Infos unter:

Erstellt am: 10.06.2012 13:49 Uhr

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