Predigt zum 15. Sonntag im Jahreskreis 2012

L I: Am 7, 12-15 / Ev: Mk 6, 7-13
Schwestern und Brüder!
Stellen Sie sich einmal vor, am Ende des Gottesdienstes würde ich Ihnen heute nicht zurufen: „Geht hin und bringet Frieden!“, sondern vielmehr: „Lasst eure Taschen hier! Denn Handys, Geldbeutel, Jacke und Sonnenbrille braucht ihr nicht. Geht zu zweit, heilt Kranke und vertreibt alles Böse.
Sucht euch für den Abend eine einfache Unterkunft. Brot und Wasser sollen euch für die nächsten Wochen genügen, wenn Ihr es wirklich ernst meint!“ Also – von wegen schöne Appartements; von wegen herrliche Ausflüge oder Wanderungen; von wegen Sonnenbaden am Pool oder „all inclusive“. Obwohl: Für die ein oder den anderen könnte dies vielleicht sogar durchaus eine reizvolle und abwechslungsreiche Vorstellung sein. Mal ein reduzierter Lebensstil, ein paar Gedanken mehr an die Mitmenschen bzw. auch an Gott. Ein bisschen was Gutes tun… Aber auf Dauer und immer?
Unserem heutigen Alltagsverstand, der rät, dass man am besten mit 20 Jahren bereits eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließt und allerspätestens mit 40 Jahren sein Haus oder doch wenigstens seine finanziellen Vorsorgepläne für das Alter getroffen oder beisammen hat, diesem Verstand laufen natürlich solche Worte zuwider. Deshalb hat man dem heutigen Evangelium oft genug nachgesagt, es sei realitätsfern oder einfach nur das in Worte fassen einer christlichen Grundnaivität. Doch ich frage mich: Schließt das eine das andere wirklich komplett aus? Das für den Alltag und die Zukunft gerüstet sein und sich trotzdem von Jesus gesandt zu wissen? Sicherlich: die Zeiten und die Situationen für eine christliche Nachfolge sehen im Jahre 2012 ganz anders aus als zur Zeit des Urchristentums; das ist gar keine Frage und für uns alle nichts Unbekanntes oder wirklich Neues. Vielleicht sollten wir deshalb einfach auch noch einmal genau auf den Text
schauen, den wir heute als Evangelium gehört haben.
Aus den Zeilen geht eindeutig hervor, dass es Jesus war, der die Sendung ausgesprochen hat. „In jener Zeit rief Jesus die Zwölf zu sich und sandte sie aus…“ – Schlicht und einfach klar, was da steht. …und die Zwölf machten sich auf den Weg.“ Vielleicht ist es die Kürze des Textes, die uns das alles so einfach aussehen lässt. Dabei will Jesus ja durchaus Beachtliches – in manchen Augen sogar Unmögliches: Kranke sollen geheilt und Böses aus den Menschen ausgetrieben werden; die Menschen soll zur Umkehr, zu einem neuen Leben und zu einem neuen Lebensstil bekehrt werden. Interessant ist dabei – wenn ich den Schlusssatz hernehme – dass es den Jüngern anscheinend tatsächlich gelungen ist, diese immense Aufgabe oder auch Herausforderung zu meistern. Ergo liest sich dieser Evangelienabschnitt wie eine ideale Geschichte. Einfach alles stehen und liegen lassen; ganz in der Tradition rabbinischer Wanderprediger. Da werden Begeisterte schnurstracks gesammelt und mit einem kurzen und prägnanten Auftrag losgeschickt.
Und was hat die Jünger jetzt so erfolgreich werden lassen? Was hatten sie damals, was wir als Kirche heutzutage anscheinend nicht haben? „Erfolg“ ist ja nun wirklich kein Wort, was die Kirche, was wir uns in diesen Tagen ans Revers heften könnten. Liegt es daran, dass die Jünger ohne gescheite Ausrüstung auf dem Weg waren? Dass sie keine Wechselkleidung mithatten und nur Sandalen an den Füßen? Waren es das fehlende Geld und der Proviant? Fragen die, so meine ich, durchaus interessant sind, weil sie vielleicht doch ein wenig darüber Aufschluss geben, was auch heute wichtig und hilfreich sein kann. Deshalb möchte ich uns alle mit einem geistlichen Dreipunkteplan ausstatten, der unseren eigenen Glaubensweg inspirieren soll.
Der erste Punkt heißt: Er sandte sie zu zweit aus. Nicht allein sollen die Jünger gehen, sondern zu zweit. Gemeinschaft, Kooperation, Stärkung, Freundschaft, Aufmunterung, auch gegenseitiges Korrektiv-Sein und Zeuge in allen Krisen – dies ist wichtig auf diesem gemeinsamen Weg. Jesus will nicht, dass sich jeder für sich allein durchschlägt oder sich nur mit sich und seinen Problemen beschäftigt. Und was tun wir? Manchmal hab‘ ich den Eindruck, dass wir sehr oft als Einzelkämpfer unterwegs sind – genauso, wie heute vielfach Menschen sich einfach ihren Glauben aus ganz unterschiedlichen Facetten zusammenbasteln. Dabei zeigt doch die Erfahrung, dass es vielfach leichter geht, wenn Menschen sich auf der Suche nach Antworten für ihr Leben zusammentun, wenn sie sich ergänzen oder gegenseitig bereichern. Natürlich hat das was mit meinem ganz persönlichen Leben und seinen Erfahrungen zu tun. Aber wo Christen so in einer Gruppe oder Gemeinschaft mit ihren Lebensschicksalen herausrücken und wie sie vor allem damit umgehen, da wird es spannend und überzeugend, vielleicht auch hilfreich und unterstützend für andere. Da wird Christsein dann auch als authentisch wahr- und ernstgenommen; auch und gerade von Menschen, die ansonsten der Religion kritisch gegenüberstehen. Aber Fragen dergestalt: Wie hast Du das gepackt – mit dem Tod des Partners, dem Scheitern der Ehe, der Auseinandersetzung mit den Kindern und Enkeln? Das kann anderen eine Hilfe sein – bis hin zu einer Wegbegleitung für eine gewisse Zeit. In unseren kleinen Beziehungen, Gruppen und Kreisen, auch in Glaubensdingen die Gemeinschaft zu suchen, zu stiften oder zu gestalten, dass kann auch im Jahre 2012 durchaus gelingen.
Der zweite Punkt lautet: Kein Brot, kein Geld, kein zweites Hemd – oder mit anderen Worten gesagt: Jesus fordert von seinen Jüngern materielle Armut. Schutzlos und bescheiden sollen sie ihren Weg gehen, weil genau darin eine besondere Form von Glaubwürdigkeit liegt. Seht, wir vertrauen einem Gott, der für uns sorgt – durch andere, die uns Nahrung und Unterkunft geben. Deshalb brauchen wir auch nichts mitzunehmen. Und heute? Da wird der Kirche oft nachgesagt, dass sie mit zwei Zungen spricht: Sie predigt einerseits Armut und verfügt andererseits über nicht wenig Kapital und Besitz. Das ist so – da gibt es nichts zu deuteln; nur werden wir das heute nicht lösen können. Deshalb sollten wir lieber der Frage nachgehen: Was können denn wir anhand des Evangeliums an Materiellem oder Nichtmateriellem zu Hause lassen, wenn wir uns die Frage nach unserer ganz persönlichen christlichen Sendung stellen?
Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden ist heute in der persönlichen Zeit- und Lebensgestaltung ja wichtiger denn je. Manchmal reicht es schon, sich im Verzicht zu probieren, manchmal ist aber auch ein radikaler Wandel vonnöten. Und da merken wir dann erst, dass wir durchaus auch mit leichterem Gepäck weitergehen können. Sicherlich sind Vorsorge und Absicherung wichtig. Keine Frage. Aber es ist doch auch wichtig zu erkennen, dass es niemals eine absolute Garantie für ein geglücktes Leben geben kann. Sich gegen alle Eventualitäten abzusichern, ist einfach nicht möglich. Im Gegenteil: Das ist eher trügerisch und macht schnell leichtsinnig. Erst dann, wenn ich mir eingestehe, dass auch ich oft genug mit leeren Händen unterwegs und in vielen Fragen unsicher bin, erst dann kann doch Nähe und Vertrauen entstehen. Z.B. zu Menschen, denen es im Grunde ihrer Seele ähnlich geht, und im Hören auf das Wort Gottes. Da kann ich dann durchlässig werden für Neues und Wertvolles, für Nichtmaterielles, für Gefühle, für Antworten, Gedankenimpulse, Gesten oder auch ein Gebet. Das aber wäre dann eine Stärkung, die mich und andere wieder heil und sicher werden lässt. Vielleicht können ja die Tage des Urlaubs dazu einladen, mal für sich selbst eine Standortbestimmung diesbezüglich vorzunehmen.
Der dritte Punkt lautet dann: Schüttelt den Staub ab und geht weiter. Ja, so einfach sagt das Jesus. Wenn die Jünger abgelehnt werden, sollen sie sich den Staub von den Füßen schütteln und ohne großes Aufsehen, ohne Jammern und Klagen den Ort verlassen und weiterziehen. Also nicht Zwangsmissionierung nach dem Motto: „Und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein“ ist gemeint, sondern vielmehr das Erkennen, dass man Glaube nie erzwingen, sondern nur gewinnend vorleben kann. Dann, wenn die Menschen hören möchten, wenn sie Fragen haben, dann kann ich versuchen darauf zu antworten – aber ich kann mit Druck keinen Glauben wecken. Wenn Menschen heute für die Sache Gottes nicht aufgeschlossen sind, dann sind sie es möglicherweise irgendwann später. Gott bahnt sich seinen Weg – auch heute. Aber er tut es vielleicht nicht so, wie wir es mit unseren Pastoralplänen meinen oder wenn wir gerade den Eindruck haben, dass jetzt jemand mit Glauben an der Reihe sein müsste. Gott bricht in jedes Leben ein – und genau wenn das geschieht, dann sind wir gefordert. Dann müssen wir da sein und solche Signale aussenden, die die Menschen verstehen. Also: Nicht mit Gewalt missionieren oder in Selbstgerechtigkeit verfallen, was für andere richtig ist, sondern den eigenen Glauben und das, was wir davon verstanden haben, so zu leben, dass es für andere attraktiv ist.
Die Jünger Jesu waren erfolgreich. Gottes Reich bekam durch sie Hand und Fuß. Wagen auch wir an den Erfolg unserer Sendung zu glauben? Heute, mitten im Jahr 2012, wenn wir am Ende mit Jacken, Sonnenbrillen und Taschen hinausgehen? Ich halte das gar nicht für so abwegig. Amen.

Infos unter:

Erstellt am: 15.07.2012 10:16 Uhr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert