Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
„Tränen lügen nicht“, so verehrte Schwestern und Brüder, schmachtete einst Michael Holm in der deutschen Hitparade. Mal abgesehen von der Sangeskunst des Barden oder auch dem restlichen Inhalt solcher Schmusesongs muss man doch festhalten: Ja, Tränen drücken tiefe Gefühle aus. Freudentränen, Tränen der Rührung, Tränen aus Schmerz wegen einer Verletzung an Körper oder auch Seele. Tränen vor Wut, aus Hilflosigkeit, Trauer oder Enttäuschung. Die Reaktionen der anderen auf solche Tränen sind auch ganz unterschiedlich. Die einen schauen weg, wollen damit nichts zu tun haben. Andere weinen betroffen oder hilflos mit. Wieder andere versuchen zu trösten, den Schmerz zu lindern oder auch das Leid zu mindern. Bei Kindern kann man beobachten, dass sie ihren Tränen oft freien Lauf lassen. Sie sind für sie oft direkter und spontaner als irgendwelche Worte. Dem Kind werden dann die Tränen abgewischt, die Nase geputzt und meist sind die vergossenen Tränen dann auch ganz rasch ad acta gelegt.
Bei Älteren geht das meistens nicht so schnell. Viele von uns haben gelernt, ihre Tränen zu unterdrücken. Besser andere nicht in den finsteren Abgrund des eigenen Lebens schauen zu lassen und sie vielleicht erschüttern lassen von den dunklen Seiten meiner Existenz. Nicht zulassen und spüren, dass wir allein sind. Wenn ich ein weinendes Kind in den Arm nehme, dann zeige ich ihm: Du bist mir nicht egal; ich bin für dich da. Für den Augenblick mag das genügen. Aber es bewahrt uns nicht vor der Erfahrung, dass Leben eben immer auch Abschied heißt. Auch das Trösten eines Erwachsenen besagt: Du bist nicht allein. Und so können wir einander sichtbar und spürbar helfen, mit Schmerz und Leid zu leben oder mit diesen Erfahrungen umzugehen. Trösten ist für mich eine „Spur des Heiligen“, ein Versprechen, das eigentlich bis in den Himmel hineinreicht. Schmerz und Leid sind nämlich nicht „das Letzte“. „Es wird alles gut“ – ein Versprechen, das wir aber gar nicht einlösen können. Ein billiges Versprechen oft, um möglichst schnell wieder in den Alltag zurückzukehren – oder wirklich Trost als „Spur des Heiligen“? Ich glaube, dass es nicht nur ein verzweifeltes Herbeizitieren des „absolut Guten“ ist. Ich glaube nicht, dass wir Gott missbrauchen, um unsere eigene Hilflosigkeit zu verbergen. Ich glaube vielmehr, wenn wir einander Mut zusprechen, dann ist das eine „Spur des Heiligen“; denn wenn wir uns gegenseitig trösten, dann ist da auch Gott gegenwärtig. Wer glauben kann, der setzt auf das Gute über das Erlebte, das Sichtbare und Beweisbare hinaus. Manche Tränen der Verzweiflung sind schon geflossen über das, was Menschen sich gegenseitig an Leid zufügen. Es bleibt die Frage, warum kommt Gott nicht, um hier und jetzt den Vergewaltigern, den Folterknechten und den Kriegstreibern das Handwerk zu legen? Und so hoffe ich auf den, der die Tränen derer abwischt, die nicht mehr von Menschen abgewischt werden können. Uns aber wünsche ich den Mut zum Trösten, damit wir in dieser Welt eine kleine „Spur des Heiligen“ hinterlassen.
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Erstellt am: 18.07.2012 17:09 Uhr
