Qi-Gong

 

Qi-Gong

 

In der chinesischen Philosophie steht Qi (spr.: „tschi“) für mehrere Bedeutungen. Aus naturheilkundlicher Sicht übersetzt man es am besten mit „Lebensenergie“, was nicht ausschließt, den Begriff zuweilen auch enger als „Atem“ aufzufassen, etwa im Sinn von „Prana“, den wir vom Yoga kennen. Im Hinblick auf Zeugung und Geburt unterscheidet chinesisches Denken angeborenes Qi von erworbenem und meint damit die in der Erbsubstanz verankerte Energie aus dem Potential der Eltern, gegenüber derjenigen, die das Neugeborene aus Atemluft und Ernährung selber erzeugt. Angeborenes Qi ist die Kraftquelle, die Leben und Wachstum in Gang setzt. Erworbene Qi baut darauf auf. In unsichtbaren Leitbahnen, die als Feinvernetzung der Meridiane zu verstehen sind, zirkuliert es im Organismus, versorgt alle Organe permanent mit Energie, und an bestimmten Punkten der Hautoberfläche, die zugleich Akupunkturpunkte sind, kann die Außenwelt, zum Beispiel der Therapeut, das Zirkulieren von Qi beeinflussen. Mit GONG ist nichts weiter als Training gemeint, die Anstrengung und Selbstüberwindung, die man aufwenden muß, um durch regelmäßiges Üben in Form zu bleiben; doch niemand wird überfordert.

 

Man unterscheidet harte Trainingsformen (Yin Gong), die enorme körperliche Widerstandskräfte aufbauen, von gelinden, mehr dynamisch angelegten Techniken (Ruan Gong), die mit nur geringer Mühe bewältigt werden können. Nach westlichen Maßstäben könnte hartes Yin Gong als Bodybuilding aufgefaßt werden, wogegen das sanft Ruan Gong an Gymnastik erinnert. Wer Qi ausüben möchte, lernt zunächst die zwölf Hauptleitbahnen kennen, auf denen die inneren Organe mit Lebensenergie versorgt werden. Es gibt deren je sechs für Yin und Yang. Als Endlosschleifen verlaufen sie an der Hautoberfläche aufwärts bis in die Finger- und Zehenspitzen. Weil das Zirkulieren von Qi mit dem Atmen beginnt, gilt die Lungenleitbahn als Anfangsschleife. Wo sie im rechten Daumen endet, schließt sich vom Zeigefinger aus die Dickdarmleitbahn an, die bis zur Mundhöhe aufsteigt. Im Gesicht beginnt in Höhe des linken Jochbeins die Magenleitbahn. Sie verläuft an der linken Brustseite abwärts bis zu den Zehenspitzen. Im rechten Bein verläuft die Milzleitbahn aufwärts bis zur Brust. Dort beginnt die Herzleitbahn, die am kleinen Finger rechts endet, während am kleinen Finger links die Dünndarmleitbahn anfängt, die bis zur Jochbeinhöhe der linken Gesichtshälfte aufsteigt, wo die Blasenleitbahn beginnt. Ihr folgt im rechten Bein aufwärts die Nierenleitbahn, die in Brusthöhe endet, wo die Herzbeutelbahn beginnt. Diese endet im Mittelfinger der rechten Hand und verbindet sich mit der Leitbahn des „Dreifachen Erwärmers“, die zum Gesicht emporsteigt, wo rechts die Gallenblasenleitbahn anschließt. Sie verläuft an der rechten Körperseite abwärts bis in die Zehenspitzen des rechten Fußes, wo die Leberleitbahn emporsteigt, die im Brustkorb Anschluß an die Lungenleitbahn findet, womit der nächste Qi-Kreislauf beginnt. Von den Hauptleitbahnen werden acht Sonderleitbahnen unterschieden, die am Zirkulieren des Qi nur indirekt teilhaben. Sie versorgen vornehmlich Gehirn, innersekretorische Drüsen und Knochenmark. Zudem dienen sie dazu, schädliche Einflüsse abzuwehren, die von außerhalb einwirken. Bei der Akupunktur werden sie benutzt, um gestörtes Gleichgewicht zwischen Yin und Yang zu harmonisieren. Deshalb sind ihre Funktionen am ehesten zu verstehen, wenn man sie paarweise analysiert. Alle acht haben im chinesischen Sprachgebrauch das gemeinsame Kennwort „Mai“, das selbstredend nicht mit dem Monatsnamen zu tun hat. Die Du-Mai-Leitbahn, die an der Stirn beginnt und sich über den Scheitel und Nacken in der Rückenmitte abwärts zur Gesäßpartie hinzieht, faßt alle Yang-Leitbahnen zusammen. Ihr Widerpart, die Ren-Mai-Leitbahn, verläuft vom Gesicht aus kinnabwärts über den Nabel zum Genitalbereich. In ihr vereinen sich alle Yin-Leitbahnen. Die Chong-Mai-Leitbahn der Leistengegend gabelt sich mit beiderseits zu Kopf aufsteigenden und dann abwärts bis zu den Fußsohlen verlaufenden Ästen. Sie versorgt die Genitalen beider Geschlechter und nimmt Einfluß auf deren Funktionen. Gemeinsam mit Du-Mai und Ren-Mai bildet sie den „Kleinen Energiekreislauf. Gabelförmig beginnt die Leitbahn Yang-Qiao-Mai. An der Außenseite der Fußknöchel steigt sie beiderseits zu den Schultern empor, berührt die inneren Lidwinkel der Augen und endet mit beiden Ästen am Hinterhaupt. Ähnlich beginnt die Leitbahn Yin-Qiao-Mai an den Innenseiten der Fußknöchel. Mit beiden Ästen steigt sie vorderseits empor und endet in den inneren Lidwinkeln der Augen.

 

Yang- und Yin-Qiso-Mai sorgen, ihren Namen entsprechend, fürs Gleichgewicht der Grundprinzipien. Zudem regeln sie den Schlafrhythmus und rebellieren mit Wadenkrämpfen und tränenden Augen, wenn ihre Harmonie gestört ist. Die beiden letzten der acht Sonderleitbahnen sind nach außen orientiert. Yang-Wei-Mai beginnt an den Außenseiten der Fußknöchel, steigt beiderseits am Körper empor und endet mit beiden Zweigen am Hinterhaupt. Ihr Widerpart Yin-Woi-Mai beginnt beiderseits an den Waden und folgt den Innenseiten der Oberschenkel rumpfwärts bis zur Kehle. Den Verlauf der Leitbahnen genau zu kennen, ist sowohl zum Training (Gong) als auch zur Heilbehandlung unerläßlich, denn die meisten Akupunkturpunkte sind auf Leitbahnen angesiedelt, von wo aus die zu ihnen gehörenden Organe beeinflußbar sind. Gleichviel, ob man anstrebt, am Ende das harte Yin Gong zu praktizieren, oder das dynamische Ruan Gong vorzieht, anfangs ist es ratsam, sich einem Therapeuten anzuvertrauen, der über genügend Erfahrung verfügt, um vor allem zu richtiger Atemtechnik. Je nach Neigung kann Atmen auf dem Rücken oder auf der Seite liegend geübt werden. Man kann auch am Boden sitzen, sogar ein Stuhl ist erlaubt. Solange das Ein und Aus der Atmung noch nicht im Sinn von Qi Gong beherrscht wird, sollte der Anfang jeder Sitzung der Atemtechnik vorbehalten sein, ehe die hochwirksamen Bewegungsübungen der „Acht Seidenstücke“ ausgeführt werden. Dabei steht man mit leicht auseinandergestellten Füßen, bewegt Arme und Hände nach dem Vorbild des Meisters und fühlt sich am Ende wie neugeboren.

 

Wenn Qi Gong als Heilverfahren angewandt wird, kommen nicht allein die Beschwerden des rheumatischen Formenkreises dafür in Betracht, auch zu hoher Blutdruck, Rhythmusstörungen des Herzens und asthmatische Leiden können vor allem dann erfolgversprechend behandelt werden, wenn schulmedizinischen Bemühungen der Erfolg versagt blieb. In solchen Fällen können Leitbahnen blockiert sein, deren Existenz mit den Methoden der „exakten“ Naturwissenschaft (noch) nicht nachweisbar sind und deshalb nach allmählich unmodern gewordenen Kriterien der klinischen Medizin als nicht vorhanden gelten.

Auszug aus dem Buch „Der Darm – Basis der Gesundheit“ von J.B.V.

 

 

Literatur: Yves REQUENA, Qi Gong, das geheime Übungssystem für Lebenskraft und Langlebigkeit, Goldmann-Verlag, München,  ISBN 3-442-12191-4

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Erstellt am: 23.01.2009 13:39 Uhr

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