Neurodermitis Teil 14

Neurodermitis


Arbeit als Weg
Wie alle Lebewesen müssen wir einen großen Teil unserer Existenz damit zubringen uns das Leben erst möglich zu machen: Die Kalorien, die den Körper nähren, erscheinen nicht durch Zauber auf dem Tisch, und Häuser und Autos setzen sich auch nicht von selbst zusammen. Es gibt je doch keine strengen Regeln, wieviel Zeit man tatsächlich arbeiten muß. Es scheint zum Beispiel, daß die frühen Jäger und Sammler die wie ihre heutigen Abkömmlinge in unwirtlichen Wüsten Afrikas und Australiens lebten, täglich nur drei bis fünf Stunden mit dem verbrachten, was wir Arbeit nennen -Nahrung suchen und zubereiten, Obdach, Kleider und Werkzeuge erstellen. Den Rest des Tages unterhielten sie sich, ruhten oder tanzten. Das andere Extrem bilden die Industriearbeiter des neunzehnten Jahrhunderts, die oft gezwungen waren, sechs Tage in der Woche zwölf Stunden lang in schmutzigen Fabriken oder gefährlichen Gruben zu schuften. Nicht nur der Umfang der Arbeit, sondern auch die Qualität ist
recht unterschiedlich. Es gibt ein altes italienisches Sprich-wort:“ Il lavoro nobilita lùomo, e lo rende simile alle bestie“,- „Arbeit macht den Menschen edel aber auch zum Tier“ Diese ironische Redewendung konnte als Kommentar zum Wesen aller Arbeit gesehen werden, doch man kann sie auch so interpretieren, daß Arbeit, zu der man ausgeprägte Fähig-keiten braucht und die freiwillig geschieht, die Komplexität des Selbst vergrößert, andererseits daß nur wenige Dinge so frustrierend sind wie ungelernte Arbeit unter Zwang. Der Gehirnchirurg, der in dem bestausgestatteten Kranken-haus operiert, und der Sklave der unter einer schweren Last durch den Schlamm stapft, sie arbeiten beide. Aber der Chirurg hat eine Chance jeden Tag etwas Neues zu lernen, und jeden Tag erfährt daß er Kontrolle ausübt und schwierige Leistungen erbringen kann. Der Arbeiter ist gezwungen immer wieder die gleichen erschöpfenden Bewegungen zu wiederholen, und er erfährt vorwiegend seine eigene Hilflosigkeit.
Da Arbeit so universal ist jedoch so unterschiedlich, hängt die Zufriedenheit dabei stark davon ab, ob das was man für den
Lebensunterhalt tut erfreulich ist oder nicht. Thomas Carlyle hatte nicht unrecht als er schrieb: ,Gesegnet sei der, der seine Arbeit fand; er sollte um keinen anderen Segen bitten Sigmund Freud erweiterte diesen etwas schlichten Rat. Als man ihn nach seinem Rezept zum Glücklichsein fragte, gab er eine kurze Antwort: ,Arbeit und Liebel Es stimmt daß man seine Lebensqualität insgesamt stark verbessert, wenn man Freude bei der Arbeit und in Beziehungen mit anderen Menschen findet In diesem Kapitel werden wir erkunden, wie Arbeit Freude erzeugen kann, im folgenden werden wir Freuds anderes Hauptthema aufnehmen – wie man die  Gesellschaft anderer Menschen genießt.

Autotelische Arbeiter
Adam wurde als Strafe für seine Neugier von Gott verurteilt, den Acker im Schweiße seines Angesichts zu bearbeiten. Dieser Text aus dem Ersten Buch Moses Kapitel 3, Vers 17 spiegelt, wie die meisten Kulturen, besonders diejenigen, die Komplexität einer ,Zivilisation erreicht haben, Arbeit einstufen – als Fluch, der unter allen Umständen vermieden werden sollte. Da das Universum nur unzureichend funktioniert, bedarf es einiger Energie, um die Grundbedürfnisse und Hoffnungen der Menschen zu erfüllen. Solange es uns nicht schert, wieviel wir essen, ob wir in festen, gut ausgestatteten Häusern leben oder ob wir uns die neuesten Errungenschaften der Technologie leisten können, würde die Notwendigkeit, arbeiten zu müssen, uns so wenig berühren wie die Nomaden der Kalahari-Wüste. Doch je mehr psychische Energie wir in materielle Ziele stecken und je unerreichbarer diese Ziele werden, um so schwerer wird es, sie zu erlangen. Dann müssen wir zunehmend mehr arbeiten, geistig wie körperlich, um die immer größer werdenden Erwartungen zu erfüllen. Einen Großteil unserer Geschichte mußte die Mehrheit der Bevölkerung in den Randzonen der ,zivilisierten“ Gesell-schaften alle Hoffnungen auf den Genuß des Lebens aufgeben, um die Träume der wenigen zu verwirklichen, die eine Methode gefunden hatten, sie auszubeuten. Die Errungenschaften, die, die zivilisierten Nationen von den primitiveren unterschied – wie die Pyramiden, die große Mauer in China, das Taj Mahal und die Tempel, Paläste und Dämme der Antike  wurden gewöhnlich mit der Energie von Sklaven erbaut die gezwungen wurden, den Ehrgeiz ihrer Herrscher in die Tat umzusetzen. Es überrascht nicht daß Arbeit einen recht schlechten Ruf genoß. Mit allem Respekt vor der Bibel scheint jedoch nicht wahr zu sein, daß alle Arbeit unweigerlich unangenehm sein muß. Sie ist vielleicht immer schwer zumindest schwerer als Nichtstun. Aber es gibt genügend Beweise, daß Arbeit erfreulich sein kann und daß sie tatsächlich oft zu den erfreulichsten Seiten des Lebens gehört. Manchmal entwickeln sich Kulturen die, die alltäglichen Pflichten der Reproduktion soweit wie möglich zu freudigen Aktivitäten gestalten. Es gibt Gruppen, in denen Arbeit und Familienleben anspruchsvoll, aber harmonisch miteinander verbunden sind. In den hochgelegenen Bergtälern der Alpen, die von der industriellen Revolution verschont geblieben, existieren heute noch solche Gemeinschaften.
Wie dort Arbeit erfahren wird, kommt einem seltsam vor. In einer ,traditionellen“ Umgebung, die bäuerliche Lebensstile widerspiegelt, wie sie vor ein paar Jahrhunderten noch verbreitet waren, interviewte ein Team italienischer Psychologen unter Fausto Massimini und Antonella delle Fave die Bewohner. Großzügig haben sie diese Protokolle anderen zur Nutzung überlassen. Das auffallendste an solchen Orten ist daß jene, die dort leben, nur selten die Arbeit von ihrer Freizeit unterscheiden können. Man könnte sagen, sie arbeiteten jeden Tag sechzehn Stunden, aber ebenso gut könnte man behaupten, daß sie überhaupt nicht arbeiteten. Eine der Dorfbewohnerinnen, Serafina Vinon, eine sechsund-siebzigjährige Frau aus dem winzigen Dörfchen Pont Trentaz im Aostatal der italienischen Alpen, steht immer noch jeden Morgen um fünf Uhr auf um ihre Kühe zu melken. Danach bereitet sie ein umfangreiches Frühstück zu, macht das Haus sauber und dann je nach Wetter entweder die Herde auf die Weiden unterhalb des Gletschers und pflegt ihren Obsthain oder kämmt Wolle. Im Sommer verbringt sie Wochen auf den Almen und mäht die Wiesen.
Die riesigen Heuballen bringt sie  mehrere Kilometer hinab in die Scheune. Sie könnte diese Scheune in der Hälfte der Zeit erreichen, wenn sie den direkten Weg benutzte, aber sie zieht es vor unerkennbaren winzigen Pfaden zu folgen, damit die Hänge nicht erodieren. Abends liest sie, erzählt ihren Enkeln Geschichten oder spielt Akkordeon für Freunde und Verwandte, die sich mehrere Male in der Woche in ihrem Haus versammeln.
Als man Serafina fragte, was ihr im Leben am meisten Spaß macht hatte sie keine Schwierigkeiten mit der Antwort: Die Kühe melken, sie auf die Weide bringen, die Obstbäume ausdünnen, Wolle kämmen… in der Zeit war das, was sie am meisten genoß, genau das, was sie ihr ganzes Leben lang getan hatte. Sie schilderte das so: „Das gibt mir große Befriedigung. Draußen sein, mit den Leuten reden, bei meinen Tieren sein.,. ich rede mit allen, Pflanzen, Vögeln, Blumen und Tieren. Die ganze Natur ist eine große Gemeinschaft; man sieht jeden Tag, wie sich in der Natur etwas verändert. Man fühlt sich rein und glücklich, nur schade, daß man müde wird und nach Hause muß. Als sie gefragt wurde, was sie tun würde, wenn sie genügend Zeit und Geld hätte, lachte Serafina – und wiederholte die gleiche Liste an Aktivitäten: Sie würde die Kühe melken, sie auf die Weide bringen, den Obsthain pflegen, Wolle kämmen. Der Grund ist nicht daß Serafina die Alternativen des Stadtlebens fremd sind. Sie sieht gelegentlich fern und liest Zeitungen, und viele ihrer jüngeren Verwandten leben in Großstädten und haben ein bequemes Leben mit Auto, Haushaltsgeräten und exotischen Ferien. Aber dieses modischere, moderne Leben übt keine Anziehungskraft auf Serafina aus. Sie ist absolut gelassen und zufrieden mit der Rolle, die sie im Universum spielt. Zehn der ältesten Einwohner von Pont Trenaz, zwischen sechsundsechzig und zweiundachtzig Jahre alt, wurden ebenfalls interviewt. Alle gaben ähnliche Antworten wie Serafina. Keiner traf eine deutliche Unterscheidung zwischen Arbeit und Freizeit und keiner wollte weniger arbeiten, auch wenn sie die Chance dazu bekämen. Die meisten ihrer Kinder die ebenfalls interviewt wurden, wiesen die gleiche Einstellung zum Leben auf .Unter den Enkeln jedoch (zwischen zwanzig und dreiunddreißig) herrschten die für unsere Gesellschaft typischeren Einstellungen gegenüber der Arbeit vor. Wenn sie könnten, würden sie weniger arbeiten und mehr Freizeit genießen – Lesen, Sport, Reisen, Kino und Theater. Dieser Unterschied hat teilweise mit dem Alter zu tun. Junge Menschen sind gewöhnlich weniger zufrieden, dringen mehr auf Abwechslung und sind unduldsamer gegenüber einschränkenden Pflichten. Doch in  diesem Fall spiegelt die Abweichung auch den Abbau der traditionellen Lebensweise wider bei der die Arbeit in sinnvollem Zusammenhang mit der Identität des Menschen und seinen Zielen stand. Die jungen Leute von Pont Trenaz erreichen vielleicht im Alter die gleiche Einstellung zur Arbeit wie Serafina, die Mehrheit aber vermutlich nicht. Statt dessen wird sich der Abstand zwischen notwendigen, aber unangenehmen Arbeiten und Freizeitaktivitäten vergrößern, die angenehm, aber nur wenig komplex sind. Das Leben in diesen Alpendörfern ist nicht leicht gewesen. Um von einem Tag auf den anderen zu überleben, muß sich jeder einer großen Bandbreite schwieriger Herausforderungen stellen, von schlicht schwerer Arbeit zu speziellen Fähigkeiten, wie Erhaltung und Entwicklung einer bestimmten Sprache von Liedern, Kunstwerken und komplexen Traditionen. Doch irgendwie hat sich die Kultur auf eine Weise entwickelt,  daß die Menschen ihre Aufgaben als angenehm empfinden. Statt sich von den Notwendigkeiten der schweren Arbeit unterdrückt zu fühlen, teilen sie die Meinung von Guliana B, einervierundsiebzigjährigen: „Ich bin frei bei meiner Arbeit wenn ich tue, was ich will . Wenn ich etwas heute nicht erledige mache ich es morgen. Ich habe keinen Chef. Ich bin mein eigener Chef Ich habe mit meine Freiheit erhalten und ich habe dafür gekämpft. „Sicher waren nicht alle vorindustriellen Kulturen so idyllisch. In vielen Jäger- oder Bauerngesellschaften war das Leben hart, brutal und kurz. Einige der Alpendörfer unweit von Pont Trenaz wurden sogar von Reisenden des letzten Jahrhunderts ab von Hunger, Krankheiten und Dummheit bevölkert beschrieben.
Die Perfektion eines Lebensstils, der menschliche Ziele harmonisch mit den Mitteln der Umwelt in Beziehung bringt, ist ebenso selten wie der Bau einer großen Kathedrale, die alle Besucher mit Ehrfurcht erfüllt. Wir können von einem erfolgreichen Beispiel nicht auf alle vorindustriellen Kulturen schließen. Doch jedes erfolgreiche Beispiel reicht auch, um den Gedanken zu widerlegen, daß Arbeit immer weniger erfreulich sein muß als frei gewählte Muße. Doch was ist mit dem städtischen Arbeiter dessen Arbeit nicht deutlich an seinen Lebensunterhalt gebunden ist? Serafinas Haltung ist nicht typisch für traditionelle Bauerngemein-schaften. Gelegentlich finden wir sie mitten im Chaos des industriellen Zeitalters. Ein gutes Beispiel dafür ist Joe Kramer, ein Mann, den wir interviewten.  Joe war  Anfang sechzig und Schweißer in einer Fabrik im Süden Chicagos, in der man Eisenbahnwaggons baute. Etwa zweihundert Menschenarbeiteten in drei riesigen, dunklen, hangarartigen Bauten, in denen mehrere Tonnen schwere Stahlplatten an Kränen durch die Luft schwebten und unter einem Funkenregen an die Achsen der Waggons geschweißt wurden.
Im Sommer herrscht hier Gluthitze, im Winter heulen die eisigen Winde der Prärie durch die Hallen. Das Metallklirren ist immer derart laut daß man einander ins Ohr schreien muß, um sich verständlich zu machen. Joe kam mit fünf Jahren in die Vereinigten Staaten und verließ die Schule nach der sechsten Klasse Er arbeitet seit dreißig Jahren in dieser Fabrik, wollte aber nie Vorarbeiter werden. Er lehnte mehrere Beförder-ungen mit der Begründung ab, er sei gern ein einfacher Schweißer und fühle sich unwohl wenn er irgend jemandem Vorgesetzter sein sollte.
Er stand zwar auf der niedrigsten Stufe der Fabrikhierarchie, doch alle kannten Joe und stimmten darin überein, daß er die wichtigste Person in der ganzen Fabrik sei. Der Leiter meinte, wenn er fünf weitere Männer wie Joe hätte, wäre seine Fabrik
wohl die beste des Landes. Seine Kollegen meinten, ohne Joe könne man den Laden gleich schließen. Der Grund für seinen Ruhm war einfach. Joe hatte offensichtlich jede Phase der Produktion bis in die kleinste Einzelheit kennengelernt und konnte nun für jeden einspringen. Darüber hinaus konnte er jede Maschine reparieren, von den riesigen Kränen bis zu winzigsten Elektromotoren. Doch am meisten erstaunte die Leute daß Joe diese Dinge nicht nur leisten konnte, sondern sogar Spaß hatte, wenn man ihn herbeirief. Als man ihn fragte wie er gelernt habe mit komplexen Maschinen und Werkzeugen umzugehen, ohne jemals dazu ausgebildet worden zu sein, gab Joe eine sehr entwaffnende Antwort:
Seit der Kindheit hätten ihn Maschinen fasziniert. Besonders habe er sich immer von Dingen angezogen gefühlt, die nicht funktionieren. Wenn zum Beispiel der Toaster meiner Mutter nicht mehr ging, fragte ich mich, wenn ich der Toaster wäre und nicht funktionierte, was wäre wohl nicht in Ordnung?“ Dann nahm er das Gerät auseinander fand den Fehler und setzte es wieder zusammen. Seitdem hat er diese Methode einfühlender Identifikation bei immer komplexeren mechanischen Systemen angewendet um sie kennenzulernen und zu reparieren. Und die Faszination der Entdeckung hat nie aufgehört, Joe, der kurz vor der Pensionierung stand, hatte immer noch jeden Tag Spaß an der Arbeit. Joe ist nie ein Workerholik gewesen, jemand, der vollständig von den Herausforderungen der Fabrik abhängig war, um sich wohlzufühlen.  Was er zu Hause tat war vielleicht noch bemerkenswerter als seine Umwandlung eines seelenlosen Routinejobs zu einer komplexen,  Aktivität. Joe und seine Frau wohnten in einem bescheidenen Bungalow am Stadtrand. Im Verlauf der Jahre hatten sie zwei leere Grundstücke zu beiden Seiten des Hauses aufgekauft. Darauf hatte Joe einen komplizierten Steingarten mit Terrassen, Pfaden und mehreren hundert Blumen. Als er unterirdische Berieselungsanlagen installierte, hatte er eine Idee: Wenn sie nun Regenbogen erzeugten? Er suchte Sprühköpfe die einen feinen Wassernebel ausstäubten, aber keiner befriedigte ihn. Also plante er selbst einen und baute ihn auf seiner Drehbank im Keller. Jetzt konnte er nach der Arbeit auf seiner Veranda sitzen und mit einem einzigen Schalter ein Dutzend Berieselungsknöpfe anstellen, die ebenso viele Regenbogen zauberten. Aber in Joes kleinem Paradies gab es ein Problem. Da er an den meisten Tagen arbeitete stand die Sonne gewöhnlich schon zu tief über dem Horizont um das Wasser mit kräftigen Farben zu verschönern Joe ging also wieder ans Reißbrett und wartete mit einer bewundernswerten Lösung auf. Er fand ein Flutlicht das genug SpektraIkraft halte, um Regenbogen zu bilden. Diese Lichtquellen baute er unauffällig um die Sprühköpfe ein. Jetzt ging es erst wirklich los.
Selbst mitten in der Nacht konnte er, wenn er zwei Schalter betätigte, sein Haus mit Bögen aus Wasser, Licht und Farben umgeben. Joe ist ein seltenes Beispiel dafür, was es bedeutet, eine Persönlichkeit zu haben, die Fähigkeit, selbst in der ödesten Umgebung positive Erfahrungen zu schaffen – an einem fast unmenschlichen Arbeitsplatz, in einer unkrautüber-wucherten Gegend. In der gesamten Waggonfabrik schien Joe der einzige zu sein, der die Kraft hatte, herausfordernde Handlungsmöglichkeiten zu entdecken. Die anderen Schweißer die wir interviewten, betrachteten ihren Job als Belastung, der man so rasch wie möglich zu entkommen suchte, und jeden Tag nach der Arbeit strömten sie in die Kneipen, die in dem Straßennetz um die Fabrik strategisch an jeder dritten Ecke plaziert waren, um dort die Eintönigkeit des Tages bei einem Bier und in Gesprächen mit Kollegen zu vergessen. Dann gingen sie nach Hause, um mehr Bier vor dem Fernseher zu trinken, hatten einen kurzen Streit mit der Frau, und der Tag – in jeder Hinsicht dem vorangegangenen ähnlich – war vorbei. Die Qualität der Erfahrung von Menschen wie Joe, die mit den Möglichkeiten ihrer Umwelt spielen und sie transformieren, ist deutlich entwickelter wie auch erfreulicher als die von Menschen, die sich in die Einschränkungen ihrer kargen Umgebung fügen, die sie vermeintlich nicht ändern können. Die alte Bäuerin in den Alpen, der Schweißer in Süd-Chicago und viele andere Menschen haben dies gemeinsam: Ihre Arbeit ist schwer und wenig glanzvoll und die meisten Menschen würden sie langweilig, eintönig und unwichtig nennen. Doch diese Personen verwandelten ihre Jobs die sie tun mußten zu komplexen Aktivitäten. Dies gelang ihnen, indem sie Handlungsmöglichkeiten erkannten, die andere nicht wahrnahmen, indem sie Fähigkeiten entwickelten, sich auf ihre Tätigkeit konzentrierten, und sich erlaubten, sich in dem Prozeß zu vertiefen, so daß ihr Selbst gestärkt daraus hervorgehen konnte. Derart transformiert kann Arbeit erfreulich werden, und als Folge des persönlichen Einsatzes psychischer Energie verleiht sie einem das Gefühl sie sei frei gewählt. Je mehr eine Tätigkeit innerlich einem Spiel ähnelt- mit Vielfalt, angemessenen, flexiblen Herausforderungen, deutlichen Zielen und unmittelbarer Rückkopplung- um so erfreulicher wird sie, ungeachtet der persönlichen Entwicklung dessen, der sie ausübt..

Streß
Streß existiert bloß, wenn wir ihn erleben; es bedarf äußerst extremer objektiver Bedingungen, um ihn direkt zu bewirken. Der gleiche Druck erschlägt einen Menschen, während er für den anderen eine willkommene Herausforderung darstellt. Es gibt hunderte von Wegen, Streß zu mildern, von denen einige auf bessere Organisation basieren, auf Delegierung von Verantwortung, bessere Kommunikation mit den Kollegen und Vorgesetzten.
Andere beruhen auf Faktoren außerhalb der Arbeit, wie ein verbessertes Familienleben, erfüllendere Freizeitbeschäfti-gungen oder eine innere Disziplin, wie etwa transzendentale Meditation. Diese stückweisen Lösungen helfen vielleicht, aber die einzig wirkliche Methode zur Bewältigung von arbeitsbedingtem Streß besteht darin, sie in eine Strategie zur allgemeinen Verbesserung der Erfahrungsqualität zu integrieren. Natürlich ist dies leichter gesagt als getan. Man muß dazu psychische Energie mobilisieren und sie auf persönlich relevante Ziele richten- trotz der unvermeidlichen Ablenkungen.

Die Verschwendung der Freizeit
Wir haben zwar gesehen, daß die Menschen sich allgemein danach sehnen, ihren Arbeitsplatz zu verlassen und nach hause zu gelangen, bereit, ihre schwer verdiente Freizeit gut zu nutzen, aber nur allzu oft haben sie keine Ahnung, was sie dort anfangen sollen, Ironischerweise ist die Arbeit leichter zu genießen als die Freizeit, weil sie, eingebaute Ziele, Rückkopplungen, Regeln und Herausforderungen hat, die darauf hinwirken, daß man sich auf sie konzentriert und sich in ihr verliert. Freizeit hingegen ist unstrukturiert, und es kostet viel mehr Mühe, sie zu etwas zu gestalten, das ,man genießen kann. Hobbys, die eine gewisse Geschicklichkeit erfordern, Gewohnheiten, die Ziele und Grenzen setzen, persönliche Interessen und besonders Selbstdisziplin helfen, die Freizeit zu dem zu machen, was sie eigentlich sein soll – eine Chance zur Erholung. Doch allgemein versäumen die Menschen in der Freizeit die Gelegenheiten zum Genuß noch gründlicher als bei der Arbeit. Erfahrungen, die aufgrund des Einsatzes von Fähigkeiten eintreten, führen zu Wachstum, passive Freizeitgestaltung  führt nirgendwo hin. Wenn man nicht die Kontrolle über Arbeit und Freizeit übernimmt, werden beide nur enttäuschen. Die meisten Berufe und viele Freizeitaktivitäten – besonders jene, bei denen man passiv ein Massenmedium konsumiert – sind nicht danach ausgelegt, uns glücklich und stark zu machen. Ihr Sinn besteht darin, für andere Geld zu scheffeln. Doch wie alles andere können Arbeit und Freizeit unseren Bedürfnissen angepaßt werden. Menschen, die lernen, ihre Arbeit zu genießen, und die ihre Freizeit nicht vergeuden, bekommen das Gefühl, ihr Leben sei insgesamt wertvoller, das Zauberwort dahin zu kommen heißt Disziplin.

Infos unter:

Erstellt am: 30.01.2009 11:59 Uhr

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