Von Pfarrer Helmut Müller
Der Text für die heutige Predigt, am 13. Sonntag nach Trinitatis, steht in der Bergpredigt.
Wir hören aus dem 6. Kapitel die Verse 1-4:
1 Habt Acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden, ihr habt sonst keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel.
2 Wenn du nun Almosen gibst, so sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.
3 Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut.,
4 damit dein Almosen verborgen bleibe, und dein Vater, der ins Verborgenen sieht, wird dir´s vergelten.
( Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unsrem Weg. Amen )
Liebe Gemeinde,
als ich den eben gehörten Bibelabschnitt zum ersten Mal las, der nach der Perikopenordnung für den heutigen Sonntag vorgegeben ist, habe ich mir überlegt, ob ich für die letzte Predigt in der Vertretungszeit nicht einen anderen Bibeltext wählen soll.
Nur über Almosen zu predigen – so dachte ich – kann doch nicht für eine Predigt ausreichend sein.
Aber je länger ich über den Predigttext nachdachte, umso lohnender schien es mir, darüber eine Predigt zu halten.
Denn das Almosengeben ist nur ein Beispiel, an dem veranschaulicht wird, was christliches Verhalten beinhaltet.
Für christliches Verhalten steht im Text das Wort Frömmigkeit, das heute kaum noch gebraucht wird, und wenn, dann meistens im negativen Sinn.
Was Martin Luther mit Frömmigkeit übersetzt hat, heißt im griechischen Urtext Gerechtigkeit, und meint ein Verhalten, das der Gerechtigkeit entspricht, die vor Gott gilt.
Der heutige Bibelabschnitt beginnt mit der Aussage, wir möchten bei unserem Tun und Lassen auf die Gerechtigkeit achten, die vor Gott gilt:
Habt Acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr die nicht übt vor den Leuten, um von ihnen gesehen zu werden.
Mit dieser Aussage werden wir gebeten, über unser eigenes Verhalten nachzudenken.
Wir werden da gefragt, was uns motiviert, wenn wir uns für andere einsetzen und ihnen helfen. Tun wir es, um den Leuten zu imponieren, um von ihnen gesehen zu werden. – wie es im Text heißt?
Ich will versuchen, diese Frage zunächst im Blick auf mich selbst zu bedenken,
Natürlich möchte ich, dass mein Tun, beispielsweise mein Predigen von den Hörern als Lebenshilfe aufgenommen wird, oder dass die seelsorgerlichen Gespräche therapeutisch wirken. Aber nur um anderen zu imponieren, um im Rampenlicht zu stehen, das ist für mich keine Motivation und wäre mir zuwenig.
So wichtig es ist, bei anderen anzukommen, so darf das kein Grund sein, darauf unseren Selbstwert aufzubauen. Wer seine Identität allein auf äußere Erfolge gründet, muss früher oder später daran scheitern.
Es ist nur eine Frage der Zeit, wenn äußere Erfolge aufhören und die Karrieren zu Ende gehen. Viele erfahren dies im Ruhestand, wenn man nicht mehr im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht. Andere wiederum erst am Lebensende. Im Psalm 39 werden wir daran erinnert mit den Worten:Wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben.
Ich denke, es ist daher notwendig, auf unser Tun und Lassen immer wieder neu zu achten und beides zu überprüfen.
Nicht was andere von uns denken, soll unser Verhalten bestimmen, sondern die Gerechtigkeit, die vor gilt. Was vor Gott gilt, das ist Liebe, wie sie an Jesus offenbar wird.
Eine mir wichtige spirituelle Begleiterin, die bereits verstorben ist und Oberin einer kleinen
Schwesternschaft war, hat mich dies gelehrt. Wer Verantwortung trägt in einer Kirchengemeinde, braucht Wegbegleiter. Ein solcher Wegbegleiter war für mich Schwester Erika, die ihr Christsein in die einfachen Worte fassen konnte:
„Dass ich die Liebe, von der ich lebe, liebend an andere weitergebe.“
Und damit komme ich auf die Authentizität zu sprechen, die unser Christsein ausmacht und auf die die Aussagen unseres heutigen Textes abzielen.
Es ist der Glaube an den Gott der Liebe, den Jesus verkündigt hat.
Wo immer unser Tun und Lassen in der Liebe wurzelt, und wir aus der Liebe heraus handeln,
da sind wir authentisch und unabhängig von der Meinung der Leute, was sie über uns denken.
Es ist die Liebe, die uns im Glauben erwächst und die uns davor bewahrt, unsere guten Werke auszuposaunen , um gut vor den anderen dazustehen.
Der heutige Bibelabschnitt trägt in der Lutherbibel die Überschrift „Vom Almosengeben“
Almosengeben war neben dem Beten und Fasten charakteristisch für die Frömmigkeit
der damaligen Zeit. In der Bergpredigt ist davon in drei Abschnitten die Rede, wobei unser
Predigttext der erste ist.
In allen drei Abschnitten wird davor gewarnt, die Frömmigkeit nicht zur Schau zu stellen.
Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden. Wahrlich ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.
Heuchler, vor denen hier gewarnt wir, sind – so wörtlich – Schauspieler, also Menschen, die
etwas vorgeben , was sie nicht sind. Solche Menschen finden sich überall – in den Gassen und in den Synagogen – in der Öffentlichkeit und in der Kirche.
Wir leben heute in einer Zeit, in der die Aussagen unseres heutigen Textes geradezu ins Gegenteil verkehrt sind
„Tue Gutes und rede darüber“ Nach diesem Motto handeln nicht nur internationale Konzerne,
um ihr Image aufzubessern, sondern auch Kirchen, um dadurch zu mehr Geld zu kommen.
Fundraising lautet das Zauberwort, das von den Großkirchen empfohlen wird, um zu Spenden zu kommen.
Natürlich braucht eine Kirchengemeinde Gelder, um die nötigen Dienste anbieten zu können. Das weiß vor allem eine Kirchengemeinde im Ausland, die sich weitgehend selbst finanzieren muss. Und doch müssen wir darauf achten, dass etwas vom Geist der Bergpredigt spürbar bleibt und nicht alle Spenden an die große Glocke gehängt werden.
Ich möchte dies an einer Begebenheit aus meiner aktiven Dienstzeit verdeutlichen, die Jahre zurückliegt.
Anlässlich eines 100 jährigen Firmenjubiläums bekam ich eine größere Spende für die Arbeit der Nachbarschaftshilfe. Ich fragte den Spender, ob er öffentlich in der Zeitung genannt sein wolle. Er wollte das nicht, und daraus entstand eine Freundschaft, die wir bis heute haben.
Gerade durch seine Einstellung, die nicht auf öffentliche Anerkennung aus war, sondern sich am Bedarf und an der Not orientierte, kamen wir uns als Menschen näher und wurden Freunde.
In unserem heutigen Predigttext heißt es: Wenn du aber Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, damit dein Almosen verborgen bleibe.
Ich denke, gerade in der Kirchengemeinde sollten wir diesen Grundsatz nicht vergessen.
Nicht alles muss veröffentlicht werden.
Die Aussage: deine linke Hand soll nicht wissen, was die rechte tut, war mir schon seit meiner Kindheit ein wichtiges Leitwort. Was wir früh verinnerlichen, begleitet uns ein Leben lang.
Meine Mutter musste in der Nachkriegszeit einige Zeit allein für ihre fünf Kinder sorgen. Wie sie öfters erzählte, bekam sie damals auf anonyme Weise viel Unterstützung. In diesem Zusammenhang erwähnte sie das Bibelwort: deine linke Hand soll nicht wissen, was die rechte tut. So habe ich schon früh ein Geben, das im Verborgenen geschieht, als etwas Positives gessehen!
Deine linke Hand soll nicht wissen, was die rechte tut heißt aber nicht, dass wir unreflektiert handeln sollen.
Es ist schon wichtig, dass wir Menschen und Projekte, die wir unterstützen, überprüfen, um Missbrauch zu vermeiden. So wurden auch – wie mir der Kirchenvorstand sagte – die sozialen Projekte, die die Kirchengemeinde unterstützt, sorgfältig ausgesucht und überprüft.
Gleichwohl gibt es keine 100%ige Sicherheit. Der Hinweis auf Missbrauch wird oft als Grund genannt, nichts zu geben.
Es gibt keine Regeln, wie wir uns Menschen gegenüber verhalten, die auf der Straße betteln.
Das muss jeder selbst entscheiden, ob er was gibt oder nicht, ob er sich von der Not berühren lässt.
Übrigens kommt das deutsche Wort Almosen aus dem griechischen Wort „eleämosynä“
und heißt Erbarmen. In den Evangelien heißt es von Jesus immer wieder,
dass es ihn „erbarmte“, inwendig berührte, wenn er Menschen in Not begegnete.
Aus diesem inwendigen Erbarmen heraus hat er geholfen und konnte deshalb auf den Beifall der Leute verzichten.
Und dazu sind auch wir eingeladen, eben dass wir gegenüber der Not unserer Mitmenschen nicht gleichgültig bleiben, sondern uns von der jeweiligen Not berühren lassen und entsprechend handeln.
Dietrich Bonhoeffer hat Christsein in die einfachen Worte gefasst:
„Christsein besteht im Beten und Tun des Gerechten“!
Beten ist ein Reden des Herzens, das uns hilft, das Rechte zu tun.
Das Tun des Gerechten darf aber nicht beim Almosengeben stehen bleiben, bei den Brocken, die ohnehin vom Tisch fallen.
Das Tun des Gerechten hat nicht nur einzelne Menschen und deren Nöte im Blick, sondern auch Strukturen und Rahmenbedingungen, die wir verändern müssen, damit alle Menschen auf dieser Erde das Nötigste zum Leben haben.
Denn Gott, den Jesus verkündigt hat, ist ein Gott der Liebe, die allen Menschen gilt.
Wo immer wir seine Liebe weitergeben und einander helfen, da haben wir teil an der Verheißung – von der im Wochenspruch die Rede ist:
Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.(Mt.25,40)
Amen
Infos unter:
Erstellt am: 26.08.2013 10:17 Uhr