Predigt zum 21. Sonntag im Jahreskreis 2013 (C)

L I: Jes 66, 18-21 / Ev.: Lk 13, 22-30
Schwestern und Brüder!
Der Text des heutigen Evangeliums wirkt auf viele Menschen nicht unbedingt als Frohe Botschaft – und ich kann sie da durchaus verstehen. Wenn ich dann auch noch Bilder von der Panik-Katastrophe bei der Love-Parade vor knapp 3 Jahren auf dem Gelände des ausrangierten Güterbahnhofes in Duisburg sehe, dann weckt diese Vorstellung der „engen Tür“ noch viel mehr schreckliche Assoziationen und beängstigende Bilder in mir. Gut, man kann jetzt sagen: Damals war es ja keine Tür, sondern eine viel zu enge Unterführung und eine schludrig-chaotische Organisation, die dieses unfassbare Leid über viele Menschen gebracht hat. Und trotzdem lösen solche Bilder – in Verbindung mit einer Bibelstelle wie der heutigen – in mir die Frage aus, die Menschen durch alle Zeiten hindurch bewegt hat: Wer wird gerettet werden? Und vor allem: Werde ich gerettet werden? Gerade bei Trauerbesuchen, ist diese tief sitzende Angst der Menschen für mich ja immer wieder hautnah spürbar.
Nun nähren solche Texte wie der heutige Evangelienabschnitt eine solche Angst ganz immens. Vor allem dann, wenn da von Heulen und Zähneknirschen die Rede ist. Dabei sollten wir aber durchaus vor Augen haben, dass Jesus hier Menschen angesprochen hat, die als gläubige Juden der felsenfesten Überzeugung waren, dass sie ja gerettet werden; dass sie als Teil des auserwählten Volkes Gottes quasi so etwas wie einen Freifahrtschein in den Himmel fest in der Tasche haben. Und die religiösen Führer, die glaubten dabei auch noch ganz genau zu wissen, welche Vorschriften man zu beachten habe, um vor Gottes Angesicht tatsächlich bestehen zu können. Diese Art von Selbstgerechtigkeit aber bringt Jesus auf die sprichwörtliche „Palme“ und deshalb wendet er sich mit seiner Aussage: „Bemüht euch nach allen Kräften durch die enge Tür zu gelangen“, mit Vehemenz gegen eine solche Einstellung. Er macht deutlich: Die bloße Volkszugehörigkeit ist für das ewige Leben nicht ausschlaggebend. Die Heilsgewissheit kann man nicht durch eine Volks- oder Glaubenszugehörigkeit pachten; nein, durch die enge Tür muss man sich mühen und da werden – das ist jetzt nicht O-Ton Jesus, aber er könnte das durchaus so gesagt haben – noch ganz andere Menschen Eingang finden, als ihr sie vielleicht in eurer Selbstherrlichkeit auf der Rechnung habt.
Nun dürfen wir heute allerdings nicht so tun, als wäre das nur ein Gedanke, der auf das jüdische Volk zur Zeit Jesu zuträfe. Auch heute gibt es doch vielfach eine falsche Selbstsicherheit, was das ewige Leben bei Gott angeht. Nicht nur, dass so manche Sekten das sichere Datum des Endes kennen und auch die Anzahl derer, die dann noch gerettet werden. Nein, auch wir, die großen christlichen Konfessionen, wiegen uns oft in der falschen Annahme, allzu genau zu wissen, was Gott tatsächlich von uns will. Dabei macht mir das heutige Evangelium deutlich: Ich kenne das Urteil Gottes über mein Leben nicht! Und Sie? Vielleicht sind das, was wir als Zulassungsvoraussetzungen für das ewige Leben sehen – Überlegungen wie Konfessions- oder auch Religionszugehörigkeit, Gottesdienstbesuch und…und…und… für Gott selbst gar nicht relevant. Ja, vielleicht wird so manche oder mancher im Himmelreich Platz finden, den wir später nicht mal im Entferntesten dort vermuten würden. Und weshalb? Weil wir eben die Maßstäbe Gottes nicht bis ins Letzte kennen. Ich weiß nur: Jesus will uns keine Angst machen; ihm liegt nichts ferner, als aus seiner Frohbotschaft eine Drohbotschaft zu machen. Er versucht mit diesem Bild nichts anderes, als Bedingungen für ein gelungenes religiöses Leben zu formulieren. „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen“ heißt deshalb für mich: Der Himmel fällt mir nicht in den Schoß und es reicht auch nicht aus, nur dem Namen nach dabei gewesen zu sein. Vielmehr geht es um ein aktives Bemühen, und nicht nur um theoretisches Debattieren.
Deshalb möchte ich das Bild der Tür mal auf mich wirken lassen. Welche Gedanken verbinde ich denn mit einer offenen Tür? Eine solche Tür ist einladend für mich; sie bietet Kontaktmöglichkeiten und lässt Menschen aufeinander zugehen. Eine geschlossene Tür dagegen bietet in erster Linie Schutz und Sicherheit. Eine offene Tür hilft mir, andere Kulturen, Lebensweisen, auch religiöse Anschauungen besser zu verstehen; eine geschlossene dagegen schottet mich eher von anderen Menschen ab. Offene Türen ermöglichen ein gutes Wort oder auch eine zärtliche Geste; etwas, was dem oder der anderen weiterhilft. Ist die Tür dagegen verschlossen, hilft sie mir, mich zurückzuziehen, Enttäuschungen oder auch Ohnmacht auszuhalten und neue Kraft zu schöpfen. Wer von uns hat denn noch nie die Aussage getätigt: „Ich würde jetzt ganz gern einen Moment allein sein“. Und noch ein Gedanke: Wenn eine Tür auch nur einen klitzekleinen Spalt offen ist, so kann ich darin vielleicht eine Einladung zur Versöhnung wahrnehmen, zu einem Neuanfang entdecken.
Nun erzählt Jesus in seiner anschaulichen und überaus bildhaften Sprache aber von einer „engen“ Tür. Diese enge Tür kann für mich bedeuten: Zum Beispiel über den eigenen Schatten zu springen; Eingefahrenes und Verkrustetes in meinem Dasein neu zu beleben; Unverbindlichkeiten in meinem Leben zu entdecken und zu klären; den oberflächlichen, gleichgültigen und bequemen Facetten in meinem Verhalten mal ganz bewusst auf die Spur zu kommen, ihnen entgegenzutreten und sie ggf. zu korrigieren. Die „enge Tür“ stellt mich auch vor die Frage: Wo weiche ich aus? Wo hab‘ ich zu allem und jedem eine „gleich-gültige“ und damit gleichgütige Meinung bzw. wo stehe ich zu meiner Überzeugung und bin dadurch angreifbar und auch verletzbar? Durch die enge Tür zu gelangen ist also eine Lebenshaltung, die nach außen hin manchmal unattraktiv, schwierig, unrentabel und kräftezehrend zu sein scheint.
Wenn ich das Bild der „engen Tür“ so auf mich wirken lasse, dann spüre ich deutlich, dass uns Jesus damit etwas zur Hand gibt, was schlussendlich unserer heilsamen Beunruhigung dienen soll. Unser ganz normaler Alltag vollzieht sich ja meist recht unreflektiert, noch dazu in einem überschaubaren Aktionsradius, in dem vieles eingespielt und ganz klar strukturiert ist. Erst dann, wenn Unvorhergesehenes dazwischenkommt, wenn die tägliche Ruhe gestört wird, fangen wir doch mal an zu fragen und uns ggf. neu anzustrengen. Und warum? Wahrscheinlich, weil uns dieses Nicht-Alltägliche als Einschränkung oder auch als Einengung unseres Lebenskonzeptes begegnet. Das kann nun vordergründig passieren, wenn wir – wie mir z.B. letzte Woche passiert – nicht so arbeiten können wie gewohnt, weil die Festplatte des PC ihren Geist aufgegeben hat. Das ist nun sicher nichts Dramatisches; aber biographisch gesehen, kann dies in weitaus radikaleren Zwischenfällen geschehen, z.B. durch eine schlimme Diagnose oder auch durch die Trennung oder den Tod eines Menschen, der uns viel bedeutet hat. Da steht mit einem Mal unsere so selbstverständliche und eingespielte Betriebsamkeit im Alltag still. Da sind auf einmal Türen zugeschlagen und wir müssen Abschied nehmen von jemandem oder etwas, was bislang unentbehrlich schien. Das aber ist für mich dann wie ein Schreiten durch die enge Tür oder eine Gratwanderung über dem Abgrund. Nur: diesen Zwischenzustand werden wir bestehen müssen; das Vergangene ist noch nicht abgeschlossen und verarbeitet – das Neue noch nicht in „trockenen Tüchern“.
Diese Engstelle unseres Lebens ist der Moment der Bewährung – sie geschieht mitten im Leben oder am Ende unseres Lebens. Es ist die „enge Tür“ von der Jesus spricht und die für mich am besten durch die Tür der Geburtskirche von Bethlehem zum Ausdruck kommt. Dieses einst große und breite Portal ist im Laufe der Jahrhunderte – um die Kirche besser gegen Angreifer und Räuber zu schützen – so eng zugemauert worden, dass sie heute nur noch ein schmaler, nicht mal mannshoher Durchschlupf ist. Aber so eng diese Tür in Bethlehem auch sein mag – sie ist offen. Mir sagt das: Durch die gewaltigen Portale großer Domkirchen gehen zwar Massen von Menschen aus und ein. Aber vor der Tür in Bethlehem löst sich jede Masse auf, weil die Menschen nur einzeln eintreten können. Vielleicht ist es aber das, was Jesus deutlich machen will: Wir – Sie und ich – leben unser ganz persönliches Leben und am Ende wird es sich vor Gottes Angesicht nicht in irgendeiner Masse auflösen, sondern es bleibt bis zu letzten Schritt durch die enge Tür unser ganz Eigenes.
Und übrigens: Die Tür in Bethlehem ist so eng und niedrig, das man sich bücken muss, um hineingehen zu können. Könnte es eine bessere christliche Lebensweisheit geben als diese???

Infos unter: http://www.katholische-gemeinde-teneriffa.de/

Erstellt am: 26.08.2013 12:31 Uhr

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