Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen Sonntagmorgen wünsch’ ich Ihnen, liebe Schwestern und Brüder!
Ein Lied von Reinhard Mey beginnt mit den Worten: „Ich habe meinen Weg verloren, ich habe mich verirrt!“ Es beschreibt eine Situation, die keiner gern hat und die jeder schon mal erlebt hat: Ich habe Unrecht getan, dich verletzt, soviel falsch gemacht – und jetzt? Wie oft hätte ich das schon zugeben mögen – aber ich hab es nicht fertig gebracht. Hat nicht der andere auch Schuld – mindestens genau so viel wie ich? Am besten, nicht so viel über die Sache reden; vielleicht wächst ja Gras drüber. Meistens stimmt das ja auch. Aber außer Gras wächst nicht viel an solchen Stellen. Wo alte Verletzungen liegen, bricht leicht wieder etwas auf. Eine Beziehung wird brüchig, wenn man versucht alles auf sich beruhen zu lassen.
„Ich habe meinen Weg verloren, ich habe mich verirrt.“ Gerade dieser Anfang gefällt mir so gut an dem Lied von Reinhard Mey. Da ist nämlich nicht von Schuld die Rede und schon gar nicht von Absicht oder gar Mutwillen. Das man den Weg verliert, das kann passieren. An einer entscheidenden Stelle den Wegweiser übersehen oder auch das notwendige Warnschild. Den Kopf voll gehabt mit anderen Dingen und nicht genug aufgepasst. Vielleicht sah der andere Weg ja auch ganz hoffnungsvoll aus: angenehmer zu gehen, weniger steinig und die Richtung war doch dieselbe. Und dann endet er doch irgendwie im Leeren. So ist es passiert: Verirrt, den Weg verloren, andere verletzt, unrecht getan, es tut mir so leid – und jetzt?
Man kann es mit Erklärungen versuchen. Und es gibt ja für fast alles Erklärungen – natürlich doch! Trotzdem bleibt es unrecht, was ich getan habe. Und die Verletzungen, die ich anderen zugefügt habe, sind mit Erklärungen nicht aus der Welt zu schaffen. Das Lied von Reinhard Mey sieht nur einen Weg, das Verhältnis zueinander wieder in Ordnung zu bringen: Die Bitte um Verzeihung. Ohne Wenn und Aber. Es ist unentschuldbar und unverzeihlich, was ich gesagt, getan, vergessen habe. Trotzdem: Verzeih, bitte! Wenn überhaupt – ist nur so ein Neuanfang möglich.
Selbstverständlich gilt das auch für Bevölkerungsgruppen, es gilt auch zwischen Nationen. Wenn da etwas Schlimmes passiert ist, wenn es Unrecht, gar Verletzte und Tote gegeben hat, wenn Menschen einander Leid zugefügt haben, dann kommt das nur in Ordnung, wenn man auf Erklärungen verzichtet, das Unrecht eingesteht und um Verzeihung bittet. Für mich war, was die Geschichte unseres Volkes angeht, der Kniefall des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt in Warschau so eine Sache. Er hat damals für sein Volk, für uns alle um Verzeihung gebeten – ohne Wenn und Aber. Ich meine, dass seither vieles hat heilen können. Nachbarvölker haben ihren Weg wieder gefunden – aus schlimmen Verirrungen heraus. Verständnis und Frieden konnten wachsen – auch wenn es immer mal wieder derbe Zwischentöne von der ein oder anderen Seite gibt.
Einen schönen Sonntag wünsch ich Ihnen!
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Erstellt am: 07.10.2013 21:23 Uhr