Zündfunke, 23.10.13

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Es ist irgendein Wochentag, liebe Schwestern und Brüder. 9.40 Uhr und ein fünfzehnjähriger Junge klopft an die Tür. Man muss sich das mal vorstellen: seit vier Jahren ist dieser junge smarte Bursche drogenabhängig. Wer ihn wahrnimmt spürt, wie verunsichert er auf seine Umwelt wirkt. Aus Angst vor familiären Gewalttätigkeiten ist er einfach davongelaufen – mir nichts dir nichts. Es ist wenige Minuten vor 12.00 Uhr: Wieder läutet und klopft es an der Tür. Sie ist siebzehn Jahre alt und im fünften Monat schwanger. Ihre Eltern haben sie – nach Kenntnis ihrer Schwangerschaft – gedrängt, das Kind abzutreiben, aber sie will nicht.
Warum ich Ihnen das erzähle und vor allem, wer diese jungen Leute sind? – Es sind sogenannte Straßenkinder. Nicht in Kapstadt, Manila, Bombay oder Rio de Janeiro. Nein. Es sind Straßenkids in Stuttgart. Und wo die sich da melden? – Beim „Schlupfwinkel“, so nennt sich Stuttgarts Kontaktstelle für Jugendliche auf der Straße, im Alter von zwölf bis einundzwanzig Jahren. Träger der Einrichtung ist die Caritas und die Evangelische Gesellschaft. Seit vielen Jahren bemühen sich hier Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen um obdachlose junge Leute und wirken dagegen, dass sie in entsprechende Szenen und Milieus abtauchen. Gut die Hälfte der Kids und jungen Erwachsenen kommt aus Stuttgart, die anderen aus der weiteren Region. Es sind auch weit mehr Mädchen als Jungen. Einige stammen aus sozial schwierigen Situationen. Andere aus Familien, in denen die Eltern in der Erziehung verunsichert sind. Kaum Jugendliche kommen von Ausländerfamilien. Die starke Bindung dort verhindert wohl – zumindest momentan noch -, dass sie Ausbüchsen. Dann sind es Jugendliche, deren Eltern geschieden sind, und die sich als Stiefkinder nicht mehr erwünscht sehen. Ein auffallend großer Teil kommt aus gut bürgerlichen Kreisen. Seit Kindertagen haben sie Fernseher im eigenen Zimmer, Computer, sind materiell und finanziell wohl versorgt. Was denen fehlt? – Aufmerksamkeit, Zuwendung, menschliche Wärme. Diese „Wohlstandsverwahrlosung“ lässt aufhorchen! Die Arbeit des „Schlupfwinkels“ Stuttgart beruht auf vier Pfeilern: 1. Kontakt- und Anlaufstelle und die Grundversorgung von Jugendlichen auf der Straße. Eine Notübernachtungsstelle bietet Jugendlichen für die ersten Tage Platz, um zur Ruhe zu kommen. 2. „Streetworker“ – das heißt Arbeitseinsatz auf der Straße, um gefährdete Jugendliche dort zu finden, wo sie sich möglicherweise aufhalten. 3. Vermittlung zu weiterführenden sozialen Einrichtungen, Arbeitsprojekten und Schulen. Und wo immer möglich, Kontaktaufnahme zu den Eltern. 4. Öffentlichkeitsarbeit, um zu informieren und das gesellschaftliche Bewusstsein für die Lage gefährdeter junger Leute zu schärfen. Ich möchte Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, auf dieses Werk der Menschlichkeit aufmerksam machen, welches Sie unter www.Schlupfwinkel-Stuttgart.de einsehen und auch unterstützen können. Ich meine, dieser „Schlupfwinkel“ verdient Respekt und Unterstützung. 

Infos unter:

Erstellt am: 24.10.2013 19:11 Uhr

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