Predigt zum 4. Advent 2013

Lesung: Jes 7, 10-14 / Evangelium: Mt 1, 18-24
Schwestern und Brüder!
Was wir da eben im Evangelium gehört haben, das klingt so ein wenig nach „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, „Lindenstrasse“ oder auch „Verbotene Liebe“. Vielleicht würde aber auch der ein oder die andere von Ihnen sagen: Also für mich das gehört eher unter die täglichen Dokumentationen von „Verdachts- oder auch Betrugsfällen“. Sie ist schwanger und er davon überzeugt, sie muss fremd gegangen sein. Woher soll das Kind sonst kommen? Er kann es ja nicht gewesen sein. Also normalerweise eine Riesen-Szene, Schmerz und Wut auf beiden Seiten, der gehörnte Partner als großer Looser- und Verlierer-Typ.
Josef, der im Mittelpunkt des heutigen Evangeliums steht und für viele genau dieser Looser ist, der ist es in meinen Augen mehr als wert, dass wir ihn einfach mal näher betrachten. Der Jesuit Alfred Delp hat ihn als „den Mann am Rande, den Mann im Schatten“ bezeichnet und das nicht nur wegen seiner spärlichen Erwähnung in den biblischen Schriften. Auch auf Bildern und Gemälden des Weihnachtsgeschehens steht er meist im Schatten von Mutter und Kind. Maria und Jesus werden da königlich in Szene gesetzt, prachtvoll und faltenreich gewandet – häufig noch mit Engeln umgeben, die einen wundervollen Halbkreis um die beiden bilden. Oder man sieht da auch Maria im Gruppenbild mit den Hirten oder den Heiligen Drei Königen, die feierlich ihre einfachen oder auch kostbaren Geschenke präsentieren. Nur Josef, der Zimmermann, steht auf vielen dieser Gemälde unscheinbar im Hintergrund; er sieht dabei alt und grau aus, ganz so, als solle ja niemand auf die Idee kommen, dieser alte Mann könnte der leibliche Vater des Krippenkindes sein. Manchmal hat Josef nicht mal einen Heiligen-Schein – und die absolute Krönung diesbezüglich ist für mich das Bild von der „Anbetung der Könige“ von Bartholomäus Bryn dem Älteren, auf dem Josef ganz verstohlen hinter einer Säule hervorschaut und das Geschehen betrachtet, als wäre er wirklich nur ein am Rande stehender und nicht mal unbedingt geduldeter Zuschauer. Es ist ja auch Fakt, dass Josef bei Matthäus in dieser Szene mit den Königen schon gar nicht mehr erwähnt wird. Da heißt es nur noch: „Sie gingen in das Haus und fanden das Kind und Maria, seine Mutter. Da fielen sie nieder und huldigten ihm.“ (Mt 2,11)
Josef kommt also schon nach kurzer Zeit nicht mehr vor. Und wenn er dargestellt wird, dann zeigen ihn die Bilder – wie gesagt – meist als alten Mann, der keine Gefahr für die Reinheit der Jungfrau Maria darstellt. Ich finde das alles andere als fair, denn nirgendwo in den Evangelien findet sich ein Hinweis darauf, dass Josef ein alter Mann war. Vielleicht hat man uns das suggeriert, weil er – abgesehen von den Kindheitserzählungen – später nicht mehr erwähnt wird. Da denkt man eben schnell: Ok, er war ein alter Mann, der vor Kram relativ früh verstorben ist. Aber ich kann Ihnen sagen: Auch damals starben nicht nur alte (!) Männer.
Wenn wir nun einen Blick auf die Ikonographie der Ostkirchen werfen stellen wir fest, dass Josef dort häufig als Schlafender dargestellt wird, weil ihm ja auch im Schlaf die entscheidenden Weisungen des Engels mitgeteilt wurden. Immer wieder scheint er da, ganz in sich versunken, darüber nachzudenken, was zu tun ist. Kein Wunder, es wird ihm ja auch wirklich eine Menge zugemutet. Die Verlobte ist schwanger, obwohl er sie noch gar nicht berührt hat. Da scheint eine Welt für ihn zusammenzustürzen: Gerade sie, dieses liebevolle Mädchen, seine Braut, der er absolut und in allem vertraut hatte. Maria wird ihm erzählt haben, was wir unter dem Stichwort „Verkündigung“ in der Bibel erfahren und feiern – und er selbst? Er bekommt eben im Traum gesagt, woher das Kind stammt. Aber hat er das wirklich begrif-
fen? Ist das nicht weit über seinen Horizont hinausgegangen? Und trotzdem
gehorcht er dem Engel und es heißt „er nahm Maria als seine Frau zu sich“.
Zwischenfrage: Ist Ihnen eigentlich beim Hören der Lesung aufgefallen, dass in diesem wesentlich älteren Text des Apostels Paulus an die Römer von einer „Jungfrauengeburt“ überhaupt nicht die Rede ist? Oder sollten wir vielleicht sagen, dass Paulus zu der Zeit davon noch gar nichts gewusst hat? Bei ihm ist Jesus „dem Fleische nach geboren als Nachkomme Davids“, also als wirklicher und leiblicher Sohn des Josef. Für Paulus wurde Jesus erst als „Sohn Gottes eingesetzt kraft seiner Auferstehung von den Toten“. Was ich Ihnen damit sagen möchte ist: So eindeutig, wie wir das vielleicht gerne hätten oder wie es die Lehre der Kirche dogmatisch im Nachhinein festgezurrt hat, ist das alles nicht. Wenn wir diesbezüglich ehrlich bleiben, dann gibt es eben nicht nur eine einzige Christologie im Neuen Testament. Sicher: schon die frühe Kirche ist durchaus jener gut bezeugten Lehre von der Gottessohnschaft Jesu von Anfang an gefolgt. Genau deshalb wird auch seine göttliche Herkunft, die nicht menschlich erklärt werden kann, mit den uns so vertrauten Worten ausgedrückt: „…denn das Kind, das sie empfangen hat, ist vom Heiligen Geist.“ Aber dass Maria nach der Zeugung und der Geburt ihres Kindes „Jungfrau“ geblieben ist, das ist – mit Verlaub – keine gynäkologische, sondern vielmehr eine theologische Aussage.
Doch kehren wir wieder zum Heiligen Josef zurück, dem es nicht „im Traum“ eingefallen wäre, seine Verlobte zu verlassen. Warum aber tut er das? Warum fügt er sich so mir nichts Dir nichts in sein Schicksal als Quartiermacher, als Fluchthelfer, Ernährer und Beschützer einer kleinen Familie, deren väterliche Pflichten er doch zu seiner Zeit nie und nimmer hätte übernehmen müssen? Vermutlich gibt’s dafür nur zwei Gründe, die man in Erwägung ziehen kann. Zum einen, dass dieser Josef ein ungeheuer tiefes Vertrauen in und einen festen Glauben an Gott gehabt haben muss. Den Glauben, dass Gott in einem Leben eben am Werk ist und dass das, was er tut, auch dann noch einen Sinn hat, wenn ihn der oder die Betreffende schon lange nicht mehr versteht. Es ist ein Glaube, der einen selbst dann an Gott festhalten lässt, wenn alles, was einem lieb und teuer ist, über einem zusammenstürzt oder den Bach runtergeht. Wenn alle anderen sich die Mäuler über einen zerreißen oder man am liebsten nur noch davon laufen möchte. Josef will das ja auch, aber sein Glaube bewirkt, dass er JA zu Maria sagen kann, obwohl so vieles objektiv gesehen, dagegen spricht. Sein Glaube bewirkt, dass er Maria Vertrauen und seine Zweifel hinten anstellen kann. Dass er sein Herz sprechen lassen kann und nicht auf sein Recht pocht. Und der zweite Grund ist wohl der, dass er Maria wirklich unsagbar geliebt haben muss. Ich glaube nicht, dass man sonst in einer solchen Situation so zu einem Menschen stehen kann.
Ich finde es gut, dass uns dieser Josef immer mal wieder vor Augen gestellt wird, denn ich habe dadurch die Hoffnung, dass er vielleicht ein klein wenig
auf uns, auf ihr und mein Verhalten abfärben kann. Vor allem eben dann, wenn wir in die Augen des Menschen schauen, der uns viel bedeutet, den wir lieben – und den wir durch unser Verhalten zutiefst enttäuscht haben oder dessen Verhalten wir momentan mal wieder gar nicht verstehen können. Ja, dann wäre es gut, wenn dieser Josef abfärben und, wenn die Liebe zum anderen solche Abgründe überwinden helfen könnte. Und dieser Josef sollte auch dann auf uns abfärben, wenn wir uns wieder einmal fragen, warum gerade uns das jetzt passieren muss; was denn alles überhaupt noch soll; wenn irgendein Ereignis uns einen Strich durch die Rechnung macht oder ein Schicksalsschlag all unsere Kräfte herausfordert oder eine Krankheit unser ganzes Leben verändert. Ja, dann sollte dieser Josef dergestalt auf uns Einfluss nehmen, dass wir Gott so vertrauen und glauben können,
dass er auch dann in meinem Leben am Werk ist, wenn ich nichts, aber
auch gar nichts mehr von ihm spüre und doch trotzdem darauf bauen kann,
dass alles einen Sinn hat.
Ich möchte nicht wissen, was aus Maria und dem Kind geworden wäre, wenn Josef sich nicht um sie gekümmert hätte. Ich möchte nicht wissen, was aus Weihnachten geworden wäre, wenn Josef damals nicht mitgemacht hätte. Deshalb wünsche ich ihnen und mir, dass wir uns dieses Vertrauen, welches Josef in das Wirken Gottes hatte zum Vorbild nehmen und es immer wieder neu einüben. Und wenn sie das nächste Mal nicht schlafen können, dann sollten sie sich vielleicht nicht ärgerlich-ängstlich hin- und her-wälzen, sondern einfach mal auf ihre innere Stimme hören. Denn oft dauert es gerade bei uns so aufgeklärten Menschen eine längere Zeit, bis unser Verstand erfasst, was unser Herz schon längst begriffen hat. Amen.

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Erstellt am: 23.12.2013 14:01 Uhr

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