Predigt am Heiligen Abend 2013

L I: Jes 9, 1-6 / Ev: Lk 2, 1-14
Liebe in der Festfreude dieser Nacht versammelte Schwestern und Brüder!
„Weihnachten kann man riechen“, so las ich unlängst in einem Artikel, der darauf aufmerksam machte, dass es ja in dem uns allen bekannten Weihnachtslied „Fröhliche Weihnacht“ nicht umsonst heißt: „Weihnachtsduft in jedem Raum!“ Doch, ich glaube schon, dass man sagen kann: Weihnachten riecht nach Geborgenheit und Liebe, nach Angenommen-Sein und Wohlfühl-atmosphäre, nach Frieden. Allerdings passt nun dazu der Spruch eines Jugendlichen über dieses Fest überhaupt nicht. Denn der hat gesagt: „Weihnachtsduft? – Dicke Luft!“ Was er damit gemeint hat ist uns nun allerdings auch nicht fremd: Denn wohl selten bringt schon die kleinste Kleinigkeit den Ehe-, Partnerschafts- oder auch Familienfrieden so schnell ins Wanken, wie eben genau dieser Festtag. Also: „Weihnachtsduft? – Dicke Luft!“
Mich haben diese Düfte aber auf einen ganz anderen Gedanken gebracht, den ich jetzt hier auch mal visuell deutlich machen will. Es stimmt zwar schon, dass die liturgische Farbe für heute „weiß“ vorsieht, aber es fehlt hier etwas – es fehlt hier sogar etwas ganz entscheidendes: Genau – eine Windel!! Und weil ich mir schon gedacht habe, dass hier bei den Augustinern keine Windel rumliegt, habe ich mir im Vorfeld eine besorgt. Halten Sie das jetzt für blasphemisch? Ist das in Ihren Augen jetzt eine Verunglimpfung unserer gottesdienstlichen Ordnung? Ich hoffe nicht, dass Sie das so empfinden; denn ich halte das einfach nur für konsequent biblisch. Immerhin haben die Windeln in der biblischen Weihnachtsgeschichte eine überaus wichtige Bedeutung; schließlich werden sie gleich zweimal erwähnt, was doch für eine enorme Wichtigkeit spricht. Einmal heißt es: „Und sie gebar ihren Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe.“ Und dann sagt der Engel zu den Hirten: „Fürchtet euch nicht…Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr… Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt.“
Also ich bitte Sie: Wer jetzt noch meint, das sei nur purer Zufall, dass hier Windeln erwähnt werden und dass Babys eben immer in Windeln gewickelt werden, der ist in meinen Augen ganz gewaltig schief gewickelt. Denn es heißt da ja ausdrücklich: „Das soll euch als Zeichen dienen.“ Wir aber beziehen uns bei Weihnachten immer nur auf Stall und Krippe; dabei werden die Windeln zuerst genannt. Die haben einen Erkennungswert – nichts anderes. Ist das aber nicht zu banal? Daran soll der Christus, der Messias erkennbar sein – an den Windeln, in die er gewickelt ist? Wobei – es ging damals nicht um eine bestimmte Marke. Das ist vielmehr heute unser Problem; denn da beginnt die Markenkonkurrenz ja schon bei den Windeln. Man kann also auch sagen: Zunehmend werden die Menschen früher daran gewöhnt, dass mehr zählt, welche Marke sie tragen, als was für eine Marke sie sind. Aber die Windeln von Jesus, die sind nun tatsächlich ein ganz markantes Zeichen der Weihnachtsgeschichte, was nur niemand so richtig wahr haben will. Deshalb wird auch auf ganz vielen Bildern der Kunst das Kleinkind Jesus entsprechend nackt gezeigt oder eben nur unvollständig gewickelt.
Vielleicht hat sich auch so mancher Künstler gedacht, was Sie jetzt vielleicht auch denken: „Was hat denn so eine alte Windel mit der Freude eines ganzen Volkes zu tun?“ Oder auch: „Gottes Sohn macht sich in die Windeln? Das kann doch nicht sein; das ist viel zu peinlich, als dass dies zu malen wäre.“ Und als Eltern wissen wir ja: dieses immer wiederkehrende Wechseln der Windeln ist keineswegs immer so erfreulich. Das kostet Geduld, Zeit, Zuwendung, Nerven und vor allem Toleranz, wenn man die Geruchsentwicklung im Blick hat… das riecht nämlich ganz anders als wie es sonst am Heiligen Abend in unseren guten Stuben oder Hotels so riecht.
Vielleicht ist aber gerade dieses – für das sonst hilflose Kind sorgen – der wichtigste Bezugspunkt zur Weihnachtsgeschichte. Jesus wird nämlich in die Hände von Maria und Josef gelegt. Sein Leben wird Menschen anvertraut. Den Hirten, die staunend „Guten Tag“ sagen, genauso, wie den drei Weisen aus dem Morgenland oder wer sonst noch alles zur Krippe gekommen ist. Christus hat sich den Menschen von Anfang an ausgeliefert und genau darin liegt der entscheidende kulturgeschichtliche Unterschied zum besseren Verständnis dessen, was das ganze Windelgewickel überhaupt soll. Lukas erzählt uns ja nicht von irgendjemandem, sondern vom erhofften Messias und König des Volkes Israel. Ein König aber, der Schiss hat, das geht gar nicht. Zwar werden, wenn damals in Rom von Königen gesprochen wird, Windeln durchaus auch erwähnt, aber eben nicht dass sie darin eingewickelt worden wären. Nein, im Vordergrund steht da ein ganz anderer Gedanke. Bereits bei den alten Pharaonen gab es nämlich die Redewendung vom „Herrschen auf den Windeln“ und der berühmt berüchtigte Kaiser Caligula hat für sich in Anspruch genommen, schon „auf den Windeln Herrscher“ gewesen zu sein. Das aber heißt nichts anderes, als dass er schon seit Jahr und Tag die Herrschaft besessen hat; dass er sie mit der Muttermilch eingesogen hat und buchstäblich zum Herrschen geboren war.
Gegen dieses selbstherrliche Überschnappen von Menschen, gegen einen solch irrwitzigen Personenkult spricht nun aber die Weihnachtsgeschichte. Sie spricht eine andere Sprache, weil sie eben ganz anders von den Windeln des Königs Jesus Christus spricht. Es ist die Sprache der Liebe und nicht der Herrschsucht. Dabei sind mehrere Dinge bezeichnend für die besondere Marke des neugeborenen Messias, der als Markenzeichen die Windel trägt. Zum einen zeigt es die Verletzlichkeit und die Bedürftigkeit des neuen Königs, der wie jeder andere Mensch auch auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Wir erfahren es als Kinder und spätestens im hohen Alter wieder, dass wir als Menschen immer auf einander angewiesen sind; denn wir können uns nicht selbst in Windeln wickeln, weder als Baby, noch bettlägerig im hohen Alter.
Für mich hat die Weihnachtsgeschichte damit aber einen mutmachenden Aktualitätsbezug. Denn Gott verbündet sich in diesem kleinen Kind mit uns Menschen; ja er bindet sich an uns Menschen, die wir doch oft so bindungslos in dieser Welt geworden sind. Weihnachten ist also die Entdeckung: Gott kommt zu uns Menschen, damit wir nicht nur für uns selbst bleiben, nur auf uns selbst bezogen leben und uns jeglicher Verantwortung füreinander entbinden, sondern dass wir einander suchen, uns versöhnen, uns aneinander binden und miteinander verbünden. Mit Jesus ist uns die Hoffnung geboren, dass nicht die Macht, die unterdrückt und Menschen ihrem Schicksal überlässt, immer weiter um sich greift, sondern dass die Liebe, die sich an Gott gebunden weiß und die sich deshalb auch mit dem Mitmenschen verbindet; die Liebe, die auch ihre Wunden verbindet, eine reelle Chance in dieser Welt hat.
Aber Weihnachten fordert Konsequenzen. Denn im Grunde sind wir jetzt gefragt, wie wir damit umgehen wollen. Wollen wir uns die Mühe machen und diesen Jesus Christus mit seiner Botschaft hegen und pflegen, ihn bei uns und in uns aufwachsen, ihn in uns lebendig werden lassen? Wollen wir dieses Licht der Hoffnung weitertragen und in dieser Hoffnung die notwendigen Schritte tun oder sagen wir lapidar: „Jeder ist sich selbst der Nächste bzw. Geld regiert die Welt!“ und halten uns so das Kind von Bethlehem und seine Botschaft vom Leib. In späteren Jahren war sich dieses Kind in der Krippe jedenfalls nicht zu schade, sich die Hände schmutzig zu machen, in dem es mit Menschen zu tun hatte, die sonst von allen gemieden wurden. Vielleicht hatte Jesus bei all dem was er für die Menschen tat manchmal auch die Hosen gestrichen voll; aber er tat es immer in großem Vertrauen
und einer unsagbar großen Liebe zu uns Menschen.
Deshalb aber finde ich, ist die Windel heute Nacht hier auch am richtigen Platz. Deshalb ist sie für mich auch so wichtig geworden: Als Zeichen dafür, dass verletzliche Liebe immer größer ist als das Kalkül der Macht; als Zeichen dafür, dass Gottes Liebe einen längeren Atem hat als die, die im Namen Gottes anderen Menschen Gewalt antun – in Worten und Taten. Die Windel als Zeichen dafür, dass uns die Liebe Gottes auch heute noch anrührt und in Bewegung setzt, wenn’s sein muss mitten in der Nacht, um einfach für einen anderen da zu sein. Die Windel als Zeichen dafür, dass Gott uns diese Welt genau so anvertraut hat, wie er uns seinen Sohn als Geschenk in unsere Arme gelegt hat. Die Windel als Zeichen dafür, dass wir uns zwar unter Mühen um unser Leben, unsere Liebsten und weniger Lieben kümmern müssen, aber dass Gott in all dem an unserer Seite ist.
Bei allem, was wir erleben und was uns auch zustößt, erfahren wir: Das Leben ist keine Komödie. Aber es ist eine Kommode, eine einzige Wickelkommode – und es lehrt uns: So hingebungsvoll wie eine Mutter oder ein Vater ihr Kind wickeln, so will Gott uns in seine Liebe einwickeln, damit wir uns in Liebe entwickeln. Eigentlich leicht – babyleicht. Deshalb: Frohe und liebevoll-entwickelte Weihnachten!

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Erstellt am: 28.12.2013 15:36 Uhr

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