Liebe Hörerinnen und Hörer,
bei meinem Aufenthalt bei der deutschen Gemeinde in der Türkei fiel mir gleich eine besondere Sitte auf. Meine Frau und ich wohnten mit holländischen, dänischen, norwegischen, deutschen aber auch türkischen Familien zusammen in einer großen Wohnanlage. Die Wohnungen der Türken waren leicht zu erkennen. Vor der Tür standen die Schuhe, die wurden vor dem Betreten der Wohnung ausgezogen. Ein ähnliches Bild ist vor jeder Moschee zu sehen. Man zieht die Schuhe aus, bevor man sie zum Gebet betritt.
Das Losungswort für den heutigen Tag nimmt diese Verhaltensweise auf. Es steht im 2. Mosebuch. Als Moses eine Gottesbegegnung erfährt, wird ihm zuvor gesagt: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von den Füßen; denn der Ort, darauf du stehst ist heiliges Land. Der Straßenstaub muss außen vor bleiben. Damit sind wohl auch all die belastenden ja, sogar schuldhaften Erfahrungen gemeint, die uns an den Füßen kleben geblieben sind. Lass das mal außen vor! Es gibt ein Terrain, das besonderen Schutz genießt und der darf nicht angetastet werden. Heiliges Land. Orte, an denen Gott ganz nah ist.
Für die gläubigen Muslime ist das in besonderer Weise die Familie und ihr Raum, die Wohnung. Und eben der Ort der Anbetung, das Gotteshaus. Dort zieht man nicht nur die Schuhe aus, sondern wäscht sich auch noch vor dem Gebet die Füße.
Symbolische Handlungen mit ganz tiefem Sinn. Ich frage mich: Was ist mir eigentlich heilig, oder weiter gefragt: Noch heilig? Ist da ein Stück nach dem anderen verloren gegangen? Wie sieht das mit der Ehrfurcht aus? Heilig ist übrigens all das, was unmittelbar zu Gott gehört. Seit Jesus wissen wir, dass die ganze Welt gemeint ist, angefüllt mit der Gegenwart Gottes, seinem Geist der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens. Und dennoch gibt es besondere Räume, die deshalb eines besonderen Schutzes bedürfen. Wo finde ich die für mich? Wo bin ich so erfüllt und angetan von diesem Geist, dass es mir die Schuhe auszieht?
Manchmal ist es eine Gemeinschaft von Menschen, sicherlich die Familie, aber auch die Familie Gottes, die christliche Gemeinde. Gelegentlich auf einer Wanderung ein traumhafter Blick über Berge und das Meer. Einfach stehen bleiben, schauen und wahrnehmen. Gott danken für das großartige Geschenk. Immer wieder aber auch ein Gotteshaus, eine Kirche. Betrachten, in sich hören, in der Stille Worte sagen zu dem, der einem schon mal die Schuhe ausziehen lässt.
Johann Weingärtner, Evang. Pfarrer in Puerto de la Cruz
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Erstellt am: 21.01.2014 11:23 Uhr