Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
“Du weißt besser als ich, oh Herr, dass ich von Tag zu Tag älter werde und eines Tages alt sein werde.“ So beginnt ein Gebet, das Theresa von Avila zugeschrieben wird. Ordensfrau, Kirchenlehrerin, Heilige. Sie galt schon zu Lebzeiten als äußerst klug und weise. Im 16. Jahrhundert war sie deshalb als Beraterin in ganz Europa sehr gefragt.
“Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen.“ wird Theresa weiter zitiert. Heute hat dieses Gebet die Überschrift: „Senioren-Gebet“.
“Erlöse mich von der großen Leidenschaft, die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen. Lehre mich, nachdenklich, aber nicht grüblerisch, hilfreich, aber nicht diktatorisch zu sein. Bei meiner ungeheuren Ansammlung von Weisheiten erscheint es mir ja schade, sie nicht weiterzugeben – aber Du verstehst, O Herr, dass ich mir ein paar Freunde erhalten möchte.“
Theresa ist sich bewusst, dass Besserwisser nicht immer gut ankommen. “Bewahre mich vor der Aufzählung endloser Einzelheiten und verleihe mir Schwingen, auf den Punkt zu kommen“, betet sie. Sich kurz fassen zu können fällt vor allem gebildeten Menschen, oder solchen, die sich für gebildet halten, tatsächlich oft sehr schwer. „Lehre mich Schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden. Sie nehmen zu – und die Lust, sie zu beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr. Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen, mir Krankheitsschilderungen anderer mit Freude anzuhören, aber lehre mich, sie geduldig zu ertragen. … (Lehre mich die wunderbare Weisheit, dass ich mich irren kann.) Erhalte mich so liebenswert wie möglich. Ich möchte kein Heiliger sein, mit ihnen lebt es sich so schwer, aber ein alter Griesgram ist das Krönungswerk des Teufels.“
Das so genannte „Senioren-Gebet“ kommt mir wie ein Spiegel vor. Auch ich komme so langsam in das „knackige“ Alter, wo es hier knackt und dort knackt, hier ziept und dort. Und Theresa beobachtet ganz richtig, dass die Lust von Jahr zu Jahr wächst, Beschwerden zu beschreiben und über sie zu jammern. “Lehre mich, an anderen Menschen unerwartet Talente zu entdecken, und verleihe mir, o Herr, die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.“ So beendet Theresa von Avila ihr Gebet. Das wäre doch eine schöne Aufgabe an diesem ersten Tag einer neuen Woche: andere Menschen beobachten, ihre Talente und positiven Seiten sehen, und diese Beobachtung Ihnen und anderen gegenüber in den nächsten Tagen auch auszusprechen.
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Erstellt am: 24.02.2014 15:25 Uhr