Zündfunke, 09.03.14

Einen guten Sonntag wünsche ich Ihnen, liebe Zuhörer und Zuhörerinnen,
Der heutige 1. Sonntag in der Passionszeit trägt den Namen Invokavit. Übersetzt bedeutet dieses Wort: Er ruft mich an. Es stammt aus einem Psalm, der heute im Gottesdienst an vielen Orten gebet wird:
„So spricht der Herr: Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not.“
Ich mag diese klaren Aussagen. Da gibt es keine Konjunktive, keine Möglichkeitsformeln wie: Eventuell, vielleicht, wollen mal sehen oder wie sie auch immer heißen mögen.
Hier ist die Situation klar.
Einer schreit um Hilfe – der andere hört.
Einer greift zum Hörer – jemand meldet sich. Kein Besetztzeichen, kein anonymer Anrufbeantworter. Welch ein Fortschritt.
Es ist mir stets eine Anfechtung, wenn ich dringend eine Auskunft brauche und ich lande in einer ewig dauernden Warteschleife. Manchmal gebe ich dann einfach auf. Mit einem ärgerlichen Ausruf in Gedanken oder auch auf den Lippen wird die rote Hörertaste gedrückt. Oft sind drei bis vier Versuche nötig, um zum Ziel zu kommen.
Hoffentlich hat der oder die auf der anderen Seite der Leitung auch das nötige Fachwissen, das ich benötige. Manchmal werde ich umgeleitet und das Warten beginnt von Neuem. Nichts mit: Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören. Und schon gar nicht: ich bin bei ihm in der Not.
Und das soll bei Gott nun anders sein? Hört der mich überhaupt? Ist der überhaupt da? Und überhaupt: Wenn den alle anrufen, die in Not sind, brauchte er dann nicht ein unermesslich großes himmlisches Call – Center, wenn Warteschleifen ausgeschlossen werden sollen?
Ich kann solche Einwände verstehen und nehme sie auch ernst. Und trotzdem, liebe Hörerinnen und Hörer, bin ich im tiefsten Grund davon überzeugt, dass Gott eben so ganz anders ist, als unsere begrenzten Vorstellungen es uns meinen lassen.

Meine Erfahrung über viele Jahrzehnte ist diese: Ich kann und darf ihn anrufen. Und manchmal ist das allein schon ein erster Schritt zur Hilfe. Ich erlebe eine Basis von Vertrauen und Hoffnung, auch wenn ich zunächst nur Schweigen ernte. Aber in dieses Schweigen hinein klingt oft genug, Gott sei Dank, die andere Stimme, die mir Gewissheit schenkt. Nicht die Gewissheit, dass alle Not, in der ich mich gerade befinde, von jetzt auf gleich behoben ist. Das geschieht selten genug. Aber ich bin nicht einsam in Not, nicht ungehalten, wenn der Boden unter den Füßen wankt, nicht hilflos, wenn ich Hilfe brauche.
Für manche ist das nicht genug. Mir ist es bedeutsam und oft reicht es zum Leben. Auf jeden Fall mehr als belanglose Worte und Gesten, die ich von vielen Seiten sonst erlebe.

Johann Weingärtner, evang. Pfarrer in Puerto de la Cruz

Infos unter:

Erstellt am: 05.03.2014 18:07 Uhr

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