Zündfunke, 15.04.14

Schon gestern, liebe Hörerinnen und Hörer, habe ich darauf hingewiesen, dass unsere anglikanischen Mitchristen diese stille oder Karwoche genannte Woche vor Ostern die holy week, die heilige Woche, nennen. Das hat sicherlich seinen Grund in der Ballung von christlichen Schwerpunktthemen, wie wir gestern bereits gehört haben, die aber eben auch ganz und gar menschlich bedeutsame sind: Tod und Leben, Streit und Versöhnung, Schuld und Sühne, Gemeinschaft und Trennung. Was ist daran nun heilig oder besonders heilig?
Der Begriff heilig ist ja durchaus nicht unumstritten. Wer sich selbst heilig vorkommt, ist in der Regel ein unangenehmer Zeitgenosse. Wem nichts mehr heilig ist, ist es in gleicher Weise. Merken wir es? Das Heilige ist einerseits ein Begriff mit schalem Beigeschmack, vor allem, wenn ein Mensch sich selbst dieses Prädikat zueignet oder gerne zueignen lässt. Und andererseits bezeichnet es einen ganz besonderen Wert, auf den wir nicht gerne verzichten möchten. Aber was ist nun in dieser Woche so besonders heilig?
Der Gründonnerstag mit der Gefangennahme Jesu, der Verhaftung eines Unschuldigen, einem mit Falschaussagen behafteten Verhör und menschenverachtender Folter? Eher doch wohl das ganz und gar besondere Mahl am Abend, das hinweist auf grenzüberschreitende Gemeinschaft der Menschen mit Gott und unter einander. Aber auch das ist nicht ohne Schattenseite. Beim Teilen von Brot und Wein wird der Verräter entlarvt und die tragische Judasgeschichte, die in der Geschichte der Menschen sich immer wiederholt hat und mit dem Begriff des Judaskusses als Zeichen für Hintergehen und Verraten von Freunden sprichwörtlich wurde.
Was ist daran heilig?
Und erst der Karfreitag. Der schwere Gang aus der Stadt hinaus zum Schandhügel Golgatha. Das Zusammenbrechen unter untragbarer Last. Die Spottrufe der Feinde und deren Claqueure. Die zu erleidenden Schmerzen, die Einsamkeit, das Verlassensein von Gott und Mensch. Was, ja was ist daran heilig?
Ich habe einmal gelernt, dass alles heilig ist, was zu Gott gehört. Ja, liebe Hörerinnen und Hörer, das gilt in der Tat für diese Woche mit ihren großen Themen, ihren tragischen Ereignissen auch dem schrecklichen Geschehen, das uns in die tiefsten Abgründe menschlichen Denkens, Empfindens und Handelns Einblick gewährt. Und das, in der Tat, gerade das gehört nun zu Gott. Er begibt sich in die tiefsten Tiefen des Menschseins hinein, und nun ist ihm nicht Menschliches mehr fremd. Die holy week, die heilige Woche zeigt uns den zutiefst solidarischen Gott. Und damit haben unsere anglikanischen Mitchristen einen besonders zutreffenden Begriff für diese Woche gewählt: The holy week, die heilige Woche.

Johann Weingärtner, Pfr. Der Evangelischen Gemeinde Teneriffa Nord

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Erstellt am: 14.04.2014 19:29 Uhr

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