Johannes 16, 23-27 + 33
23Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, wird er euch geben.
24Bis jetzt habt ihr nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, und ihr werdet empfangen, damit eure Freude völlig sei!
25Dies habe ich in Bildreden zu euch geredet; es kommt die Stunde, da ich nicht mehr in Bildreden zu euch sprechen, sondern euch offen von dem Vater verkündigen werde.
26An jenem Tag werdet ihr bitten in meinem Namen, und ich sage euch nicht, dass ich den Vater für euch bitten werde;
27denn der Vater selbst hat euch lieb, weil ihr mich geliebt und geglaubt habt, dass ich von Gott ausgegangen bin
33Dies habe ich zu euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Bedrängnis; aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden.
Um das Beten geht es heute in diesem Gottesdienst, liebe Gemeinde. Kann man überhaupt über Beten und Gebet predigen? Muss man das nicht eher einfach nur praktizieren? Die Jünger haben Jesus einmal gefragt: Herr, lehre uns beten. Und dann hat er ihnen keinen großen Vortrag gehalten etwa darüber:
Die Sinnhaftigkeit des Betens.
Die richtige Form.
Das ausgewogene Verhältnis von Dank und Bitte, von Klage und Lob.
Er hat ihnen auch nicht breit erläutert, wie sich das individuelle Gebet zum öffentlichen Gebet im Gottesdienst der Gemeinde verhält. Das ist mir gerade eingefallen, weil ich einmal in einer mündlichen Prüfung genau dieses Thema gestellt bekommen habe. Und da wollten die Prüfer gerne die genauen Formulierungen der praktischen Theologen hören.
Das Kollekten- oder Eingansgebet heißt nicht so, weil wir uns damit vor Gott sammeln sollen, sondern weil es im Laufe der Zeit einen Sammelband solcher Gebete gegeben und die dann irgendwann eine Kommission nach den Zeiten des Kirchenjahres geordnet hat.
Und in dem Fürbittengebet am Schluss des Gottesdienstes, da gibt es eine klassische Reihenfolge:
Bitte für die Kirche
Bitte für den Staat und die verantwortlich Regierenden
Bitte für die Familien
Bitte für die Armen und Unterdrückten
Bitte für alle hier und jetzt Versammelten
Und dann spielt noch ein weiterer Gedanke eine wesentliche Rolle. Sollen wir Gott immer und immer wieder sagen, was wir wollen, das er für uns und andere tun soll? Oder ist das Gebet nicht vielleicht auch und gerade einfach nur Stille und das aufmerksame Hören darauf, worum Gott uns bitten könnte, das wir für ihn und andere tun sollen? Auch das wäre ja eine Möglichkeit. Der große holländische Theologe und Träger des Predigtpreises in diesem Jahr, Huub Osterhuis, hat es einmal so gesagt. Ein guter Hinweis.
Ein weniger guter Hinweis könnte es sein, wenn Menschen darüber nachdenken oder es sogar praktizieren, im Gebet das eine oder andere zur Sprache zu bringen, was sie sich nicht trauen, ihren Mitchristen zu sagen, und es dann in Form einer Bitte Gott gegenüber tun? Zum Beispiel dass er das Unvermögen gewisser Mitchristen doch ausgleichen möge? „Einen Drüberbeten“ hat man das gelegentlich genannt.
Über das alles und vieles mehr noch nachzudenken, das könnte ein Prediger ja mal tun. Und ehrlich gesagt: Nun habe ich es ja doch gemacht, was ich am Anfang gar nicht so wollte.
Jesus aber hat es anders gemacht. Bei Lukas und Matthäus hat er auf die Frage der Jünger, wie das denn mit dem Beten gelingen kann, einfach mit dem Vater unser geantwortet. Dem Gebet, das bis heute die ganze Welt umspannt und das wir deshalb mit Fug und Recht in jedem Gottesdienst beten.
Und im Johannesevangelium, das wir eben gehört haben, da wirbt er in seinen Aussagen über das Gebet um Vertrauen und hilft seinen Jüngern, mit ihren Ängsten im Blick auf den Zustand der Welt fertig zu werden.
Vertrauen, was zeichnet es aus? Dabei geht es um eine Beziehung zwischen Personen, die von Vertrautheit geprägt ist und von großer Verläßlichkeit. Vertrauen hat eine personale Begegnungsgeschichte, in der es entsteht, wächst und sich bewährt, auch Krisen meistert und deshalb nicht leichfertig weggeworfen wird.
Das Gebet ist also eine Ausdrucksform der Beziehung des Menschen zu Gott. Was für eine Beziehung ist das? Sie fängt ganz einseitig an. Bei unserer Taufe. Da sagt Gott Ja zu uns. Du sollst mein Kind sein, und ich bin dein fürsorgender Vater. Die meisten von uns waren noch so klein, dass sie gar nichts davon mitbekommen haben. Aber so ist Gott. Seine Liebe ist bedingungslos. Sie fordert keine Gegenleistung. Er sagt uns zu: Ich bin einfach für dich da. Damit ist das entscheidende Kennzeichen göttlicher Liebe angesprochen: Sie ist nichts anderes als bedingungslose Annahme. Darin verborgen liegt der Urgrund allen Gottvertrauens.
Und diese Zusage hält ein Leben lang. Da mögen wir Zeiten erleben, in denen wir regelrecht gottvergessen sind. Da mag es Phasen des Lebens geben, in denen unser Gebet verstummt, unser Glaubenslicht verlöscht. Da leben wir dann eher beziehungslos im Blick auf Gott. Und wir wurden doch einst auf dessen Namen als Vater getauft und ebenso auf den Namen des Sohnes, des Bruders und Herrn, Jesus Christus. Und damit wurden wir dem Heiligen Geist, dem Geist des Friedens und der Liebe anvertraut. Aber trotz allem Scheitern, trotz aller Krisen des Glaubens: Gottes Zusage, die in einem der meist gebrauchten Taufsprüche so heißt: „Fürchte Dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein,“ die bleibt in Geltung, sogar noch über den Tod hinaus. Genau das hat Jesus wohl gemeint, wenn er im gehörten Evangelium über das Beten sagt: „denn der Vater selbst hat euch lieb, weil ihr mich geliebt und geglaubt habt, dass ich von Gott ausgegangen bin.“
Und in diesem zunächst erst einmal schwierig klingenden Worten Jesu wird nun ein weiterer Gedanke zum Thema „vertrauensvolle Beziehung“ deutlich. Seit Jesus diese Erde betreten hat, hat Gott ein Gesicht bekommen. Er ist nicht ein ominöses höheres Wesen, ein Gedanke, der kaum zu denken ist oder ein Sein jenseits all unseren Bewusstseins, oder wie immer man das so genannte höhere Wesen auch nennen mag oder beschreiben will. Vertrauen braucht ein konkretes Gegenüber. Und in Jesus ist Gott konkret geworden. Darum sagt er seinen Jüngern weiter: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, wird er euch geben. Und damit meint er: Ihr dürft euch Gott gegenüber auf meine Person berufen.
Ich glaube, das haben viele von uns schon einmal erlebt: Wir mussten uns bei einer bisher fremden Person vorstellen. Wollten eventuell für uns oder andere etwas erreichen. Und dann war es hilfreich, wenn wir uns auf jemand berufen konnten, der für Vertrauen stand, gleichermaßen so etwas wie ein die Tür öffnender Empfehlungsbrief war, eine gute Referenz. Jesus hat sich übrigens selbst einmal als die Tür bezeichnet, die den Zugang zu Gott öffnet. Und dieser Zugang steht nun ganz weit offen. Wir können Gott direkt anrufen. Die Tür ist da, und niemand kann sie mehr zuschlagen. Außer wir selbst natürlich.
Was bewirkt nun solch vertrauensvolles Beten. Sicher nicht, dass alle unsere Wünsche in Erfüllung gehen. Deshalb sagt Jesus sehr klar und deutlich: Was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, wird er euch geben. Wofür steht der Name Jesus?
Für Frieden und Gerechtigkeit.
Für Liebe und Barmherzigkeit.
Für Güte und Versöhnung grenzenlos.
Und für Vergebung als Ende allen Streites.
Meine Erfahrung und die vieler anderer wohl auch, zeigt: Wenn wir um Kräfte dazu beten, dann wird uns diese Bitte nicht ausgeschlagen. Und danach kann sich dann vieles einreihen, was wir auch sonst für nötig halten und um das wir gerne bitten dürfen.
Und das Ergebnis? Wir fragen ja gerne: Was kommt unter dem Strich dabei heraus? Jesu Antwort ist eindeutig:
„Dies habe ich zu euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt.“
Frieden kommt dabei heraus.
Frieden mit mir selbst, weil ich mich angenommen weiß und mich deshalb auch selbst so annehmen kann, wie ich nun einmal bin und auch geworden bin. Ich brauche mich nicht zu verstellen, kann mit meinen Fehlern leben, mir selbst verzeihen, weil Gott mir um Jesu willen längst verziehen hat. Kann dankbar sein für meine Fähigkeiten, sie als gottgewollte Begabung leben. Und weil ich beides im Blick habe, kenne ich auch meine Grenzen. Ich behaupte einmal: Beter machen sich nichts mehr vor, vor allem nichts über sich selbst.
Ja, so kann Frieden wachsen. Wenn Gott seinen Frieden mit mir und ich den meinen mit ihm gemacht habe, was hindert mich dann, auch mit den anderen im Frieden zu leben? Beten schafft Frieden.
Als alles am Ende des 2. Weltkrieges in die Brüche ging, hat in der Gestapohaft der Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer zwei wichtige Sätze gesagt:
1. Allein den Betern kann es noch gelingen
2. Nun bleibt uns nur noch eines: Das Beten und Tun des Gerechten.
Und dann mag es geschehen, dass auch der letzte Satz des Evangeliums unter uns Wirklichkeit wird: „In der Welt habt ihr Bedrängnis (oder wie es früher hieß: Angst), aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden.“
Und, liebe Gemeinde, das muss am Ende gesagt werden: Beten schafft kein sorgloses oder angstfreies Leben. Die Welt bleibt Welt und wir meist auch die Alten, wenn es gut geht mit gelegentlichen Veränderungen zum Besseren. Bedrängnis und Angst, Widerwärtigkeiten, auch Leiden, am Ende gar der Tod, das ist und bleibt so. Aber Beten macht Mut. Mut zu beidem: Zum Ertragen dessen, was uns zu tragen auferlegt wird und Mut zum Widerstehen und Verändern, was zu ändern ist. Und durch das Beten kann durchaus auch die Weisheit wachsen, dass wir das eine vom anderen unterscheiden können.
Denn nicht wir müssen diese Welt mit all ihren Widrigkeiten auf unsere Schultern nehmen. Das hat er getan. Er, der am Kreuz hing und alle Last der Menschen trug und ertrug und mit hinein nahm in sein Grab. Aber eben auch der, der seinen Jüngerinnen und Jüngern am dritten Tag erschien mit dem österlichen Gruß: Friede sei mit Euch. Amen
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Erstellt am: 28.05.2014 10:08 Uhr