Zündfunke, 17.06.14

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ Mit diesem Satz aus dem Gedicht „Stufen“ von Herrmann Hesse wurde ich im September 2013 hier auf Teneriffa begrüßt, liebe Hörerinnen und Hörer. Ich mag dieses Gedicht. Es beschreibt, wie das Leben sich entwickeln kann in einem Prozess von Abschied und Neubeginn, auch Werden und Vergehen, Ergreifen und Loslassen.
Menschen neigen ja eher zum Festhalten. Nur nicht hergeben, was man hat. Das Verharren auf einem Status, ohne auch nur einen Schritt zu weichen, das ist für viele Sinn und Ziel des Lebens. Und dieser Status wird verteidigt, wenn es sein muss mit allen Mitteln.
Aber dann gibt es auch die anderen. Die wurden herausgerissen aus ihrem vertrauten Umfeld, ohne gefragt zu werden, oft genug mit Gewalt. Die wussten und wissen nicht, wo und wie sie neu anfangen sollen und können. Deren Anfang ist eher ein böser Zauber, der sie schutzlos sein lässt und wenig Hilfe zum Leben, ja, zum Überleben bietet. Wer gibt ihnen einen neuen Anfang?
Und ich denke auch an jene, die oft und gern auf bisher Unbekanntes aus waren, die noch einmal etwas wagten. Sie ließen Altes zurück und sich auf Neues ein. Wechsel kann schön sein – so lautete ihr Lebensmotto. Und dann machten sie sich auf, einerseits ganz real. Packten Koffer und Möbelwagen voll, um an neuen Zielorten wieder auszupacken und sich einzurichten. Und das nicht nur einmal, sondern immer wieder.
Wiederum gibt es auch jene, die sich eher innerlich neu aufmachen und ausrichteten, neue Erkenntnisse und Sichtweisen auf das Leben gewinnen und umsetzten in ganz praktisches Handeln. Brüche in der Biographie, oder Begegnungen mit Menschen, die eindrücklich waren oder sind, können Anlässe dafür sein.
Umdenken nennt übrigens die Bibel solche Schnittpunkte. Alte Spuren verlassen und neue finden oder gar selber legen. Vom Bösen zum Guten, vom Streit zum Frieden, vom Ich-bezogenen Leben hin zu Gott und damit zum Nächsten.
Der alte Abraham, von Juden, Christen und Muslimen gleichermaßen verehrt, war ein solcher Mensch. Auf Gottes Wort und Auftrag hin verlässt er seinen alten Lebensbereich, macht sich mit allen, die zu ihm gehören, auf den Weg in ein neues Land, das unter einen gutem Stern stehen soll: Dem Segen des mitwandernden Gottes. Bis er das erfährt, sind manche Umwege nötig, die allerdings nach einem alten chinesischen Sprichwort die Ortskenntnisse erweitern. Aber er kommt an, fängt neu an, schafft Neues im Namen und Auftrag Gottes. Segen liegt auf diesem Neuanfang, der Segen Gottes, der auch wie ein Zauber sein kann, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wagen wir, wagen Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, noch neue Anfänge?
Wir sind nie zu alt dafür. Abraham war auch schon recht alt, als er aufbrach. Eine Wende zum Positiven herbeizuführen, dazu ist es nie zu spät.

Johann Weingärtner, Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde in Puerto de la Cruz

Infos unter:

Erstellt am: 18.06.2014 17:19 Uhr

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