Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer. Über Abschied und Neubeginn habe ich seit Montag mit Ihnen nachgedacht. In seinem Gedicht „Stufen“ sagt Herrmann Hesse über die Zeit zwischen Anfang und Abschied Folgendes: „Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen.“ Leben als Entdeckungsreise, dieses Bild fällt mir dazu ein. Heiter vorangehen – so kann die Devise lauten. Leben in Heiterkeit? Eine aus dem Fernsehen bekannte Moderatorin pflegt ihre Zuschauer und Zuschauerinnen gelegentlich mit den Worten zu verabschieden: Bleiben sie heiter, irgendwie! Geht das so einfach mit einem Appell? Wohl kaum. Was lässt uns heiter sein?
„Heiterkeit bezeichnet eine frohgemute, aufgeräumte, aufgelockerte Stimmung“, so habe ich in einem Nachschlagewerk gelesen. Das hat mir gut gefallen. Aber gelingt das immer, einen frohen Mut zu haben? Innerlich und äußerlich in aufgeräumten Verhältnissen zu leben? Und dabei auch noch locker zu sein und zu bleiben? Das mag wohl gelegentlich so sein. Aber wer kennt sie nicht: Die Phasen der Mutlosigkeit, die Momente, da manches an äußerem und inneren Müll vor unseren Türen liegt und deshalb Verkrampfung um sich greift. Einfach heiter bleiben, das ist jedenfalls nicht so ganz einfach.
Im Mittelhochdeutschen bedeutete Heiterkeit übrigens noch etwas anderes: Klarheit. Da kommen wir der Sache schon etwas näher. Zur Klarheit gehört ja nicht, dass nun einfach alles gut ist. Klarheit meint Durchblick zu haben, die Dinge so zu sehen, wie sind. Sich selbst und anderen nichts vormachen. Mit dieser Einstellung kann allerdings ein gutes Stück Heiterkeit gewonnen werden. Da kann man sogar heiter bleiben, still vergnügt in sich hineinlächeln, wenn einiges an Wolken am Himmel auftaucht. Da gibt es ja den Begriff auch wieder: Heiter bis wolkig. Und damit ist ja nicht nur die Klimakunde angesprochen, die uns das Wetter präsentiert. Wir dürfen es übertragen verstehen. So ist das Leben ja meist: Heiter bis Wolkig und eben auch mal ganz bedeckt.
Wer dann nach Klarheit sucht und sie gewinnt oder erbittet, der kann heiter werden und bleiben trotz allem. Der Christ und Kabarettist Hans Werner Hüsch hat es in einem Gedicht treffend so formuliert. Auf die Fragen in den einzelnen Versen: Was macht, dass ich so fröhlich, so furchtlos, so unbeschwert bin, trotz allem was dagegen steht, gibt er die eindrückliche Antwort.
Ich bin vergnügt, erlöst, befreit.
Gott nahm in seine Hände meine Zeit,
mein Fühlen, Denken, Hören, Sagen,
mein Triumphieren und Verzagen,
das Elend und die Zärtlichkeit.
Da kann anscheinend jemand heiter bleiben. Und warum? Er weiß sich in guten Händen, von Gottes Händen getragen und gehalten, in ihnen geborgen.
Das lässt uns heiter werden und bleiben. Gelegentlich sage ich beim Abschied: Gott befohlen. Heute Morgen befehle ich sie alle, liebe Hörerinnen und Hörer, in Gottes Hände. Und darum: Bleiben Sie heiter, nicht irgendwie, sondern ganz gewiss.
Johann Weingärtner, Pfr. der deutschen evangelischen Gemeinde in Puerto de la Cruz
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Erstellt am: 18.06.2014 17:21 Uhr