Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen Sonntagmorgen, liebe Schwestern und Brüder!
Der Rottenburger Dom ist wohl eine der kleinsten Kathedralkirchen Deutschlands. Sehr schlicht gehalten und trotzdem gibt es dort ein Bild, bei dem ich schon oft Trost gefunden habe. Trost, wenn ich mal wieder mit meinen Fragen oder auch Klagen an Grenzen komme. Es ist ein Fensterbild und heißt „Gnadenstuhl“. Mir ist dieses Bild von Kindheit an vertraut und wer mal in den Rottenburger Dom kommt, der findet es ein wenig versteckt über der Orgel.
In diesem Fensterbild sieht man in einer Rosette Gott Vater und Jesus ganz nah beieinander, genauer gesagt, man sieht sie hintereinander. Gott ist im Bildhintergrund und Jesus davor am Kreuz. Dabei sitzt Gott hinter dem Gekreuzigten und hält ihn. Hält mit seinen ausgestreckten Armen die Querbalken des Kreuzes und trägt Jesus damit gewissermaßen auf seinem Schoß. Dieses Bild bringt zum Ausdruck: Selbst in den schrecklichsten Stunden des Schmerzes, selbst in der tiefsten menschlichen Verlassenheit, ist Jesus nicht allein, sondern Gott hält und trägt ihn, auch wenn Jesus ihm am Kreuz entgegenschreit: „Warum hast du mich verlassen?“ Er ist bei ihm, auch wenn Jesus es nicht wahrnimmt oder nicht wahrnehmen kann.
Dieses Gottesbild ist sehr tröstlich für mich. Es sagt mir, der Mensch – ich – bin nicht allein gelassen, niemals. Auch wenn Gott fern zu sein scheint, wie die entfernteste Galaxie, er ist da und trägt mich. Er ist bei den Menschen, die vor Schmerzen schreien. Er ist bei den Menschen, deren Seele sich in schwärzester Nacht befindet und er ist bei den Menschen, die zu Hunderttausenden in Naturkatastrophen dahingerafft werden. Dieser Gnadenstuhl ist ein Trost für mich, weil er wider alle Logik, wider alle schlechten Erfahrungen mit einem so irrsinnigen wie gleichzeitig wunderbaren Vertrauen sagt: Du fällst nicht ins Bodenlose, du bist gehalten, du bist geboren, was auch passiert. Weil der Gnadenstuhl sagt, ich, dein Gott, bin dein Vater, deine Mutter, dein Urgrund und dein Ziel. Das nennt man auch Gnade, dieses Sich-fallen-lassen und Ruhen im göttlichen Erbarmen. Ein mit dem Verstand sicherlich nicht zu begreifendes Geschenk.
Ich weiß, es gibt genügend Situationen im Leben, wo man es nicht glauben kann oder auch nicht glauben will, dass Gott einen trägt. Wo einem diese Vorstellung wie ein Selbstbetrug vorkommen kann, halt aus Not und Verzweiflung geboren. Und selbst wenn! Könnte nicht allein diese wunderbare Vorstellung aus Menschengeist schon ein Hinweis sein? Ein Hinweis auf einen Gott, dem alles möglich ist. Und damit eben auch: Da sein, wenn er nicht da zu sein scheint.
Einen schönen Sonntag wünsch ich Ihnen.
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Erstellt am: 28.07.2014 17:23 Uhr