Predigt zum 22. Sonntag im Jahreskreis 2014 (31.08.)

L II: Röm 12, 1-2 / Ev.: Mt 16, 21-27
Schwestern und Brüder!
Erinnern Sie sich noch an den Ausraster von Bundesfinanzminister Schäuble gegenüber seinem Pressesprecher vor zwei, drei Jahren? Er war damals lange in aller Munde weil man sich fragte: Darf ein Chef so mit einem seiner Mitarbeiter umgehen? Noch dazu in aller Öffentlichkeit? Wenn ich mir nun aber das heutige Evangelium anschaue, dann wirkt diese Aussage Schäubles doch recht harmlos gegenüber dem, was Petrus da an Beschimpfungen über sich ergehen lassen muss. Und das auch noch von dem Menschen, der ihm – nach unserer Evangelienchronik – erst vor einer Woche dieses riesige Kompliment gemacht hat:„Du bist wie ein Fels, auf den man sich verlassen kann! Deshalb werde ich auf deiner Person meine Kirche gründen.“
Tja, so wird der ein oder die andere jetzt denken, so schnell kann‘s gehen: Am letzten Sonntag also noch Fels der Kirche und heute bereits der Satan. Wobei man ja sagen muss, dass uns solche menschlichen Ausraster von Jesus kaum überliefert sind. Oder man könnte auch sagen: Weil so hoch emotionale Ausbrüche bei ihm kaum vorkommen, muss es dann, wenn es tatsächlich mal geschieht, eben auch um etwas Besonderes gehen – vielleicht sogar um sein ganzes Lebenswerk? Genau das steht hier auf dem Spiel. Jesus macht deutlich, wie sein Weg aussehen wird und der Einwurf des Petrus: „Das darf nicht mit dir geschehen“, trifft Jesus an seinem Lebensnerv. Aber betrachten wir es der Reihe nach, denn das Evangelium selbst, klärt uns durchaus auf.
Da wird nämlich gesagt: In jenen Tagen begann Jesus seinen Jüngern zu erklären, wie sein weiterer Lebensweg aussehen wird. Er erzählt von seinem bevorstehenden Weg nach Jerusalem und dass ihn dort Tod und Auferstehung erwarten werden. Nur: Das mit der Auferstehung, das hört Petrus schon gar nicht mehr. Er ist über die ersten Sätze Jesu schon so entsetzt, dass er ihn beiseite nimmt um ihm klarzumachen, was das denn letztlich heißt. Dass durch diesen Weg, eben all das in Frage gestellt wird, was sie bislang mit ihm erfahren haben. Genau deshalb aber will Petrus seinen Freund Jesus mit allen Mitteln von genau diesem Weg abhalten – vielleicht auch aus der Angst heraus, dass dieses neue Leben, das er mit Jesus und seinen Freunden begonnen hat, komplett in Frage gestellt wird und ihm sogar ähnliches droht, wie dem Freund und Meister.
Mir ist dieser Petrus in seiner Emotionalität mehr als sympathisch. Da hat Jesus doch immer von seinem liebenden Vater, vom barmherzigen Gott geredet, und nun soll er nach dem Willen eben jenes liebenden Gottes den Weg in den sicheren Tod gehen? Das zu akzeptieren, das Kreuz als einen Willen Gottes anzusehen, das widerstrebt Petrus so sehr, wie es auch uns widerstrebt und schwerfällt, Leid und Not um uns herum auszuhalten. Da stellen wir doch auch ganz schnell die Frage: Wie kann Gott so etwas zulassen? Wo ist denn die Liebe Gottes sichtbar und spürbar angesichts so vieler Kreuze und von so viel Leid in dieser Welt? Warum greift denn dieser Gott nicht ein, wenn Familien zerbrechen, Unglücksfälle, Krankheiten und der Tod lieber Menschen viele von uns an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringen? Ja, man ist ja sogar geneigt zu fragen: Ist unser Gott ohnmächtig angesichts unseres Leids? Oder liebt er es sogar?
Vielleicht entdecken wir eine Antwort, wenn wir auf das Leben Jesu schauen. Er ist konsequent seinen Weg gegangen: er hat Kranke geheilt, Sünder in die Gemeinschaft zurückgeholt und ihnen die Vergebung und die Versöhnung Gottes zugesprochen. Mit Pharisäern und Schriftgelehrten redete er in aller Klarheit und Offenheit und er rückte die Erfüllung des Gesetzes zu recht bzw. wieder an die richtige Stelle. Nicht bloße Gesetzeserfüllung stand bei ihm im Vordergrund, sondern das Leben in Fülle für alle Menschen. Nicht Buchstabengehorsam war bei ihm angesagt, sondern die Barmherzigkeit Gottes.
Für Petrus und die anderen Jünger war deshalb klar, dieser Jesus ist der lang ersehnte Messias. Das einzige, was er jetzt noch tun muss, ist seine Größe und Macht auch gegenüber den Römern zu beweisen. Er muss deutlich machen, dass sein Reich Bestand hat und dass er alle Begrenzungen, alles Leiden und alle Gewalt mit einem großen Handstreich beenden kann. Und jetzt so etwas! Was Jesus da ankündigt, das ist so anders, so ganz anders, als die Jünger es sich vorgestellt hatten. Eben kein Triumphzug hinauf nach Jerusalem und keine Machtdemonstration dort, sondern ein Weg tiefster Überzeugung, der ins Leid hineinführt, in den Hass, die Verfolgung und Verurteilung. Ein Weg, der geradewegs in den Tod führt.
Ist es da nicht mehr als selbstverständlich, dass Petrus sich dagegen auflehnt? Dass er Jesus genau davon abhalten will? Aus Angst um den Freund, vielleicht auch aus Angst um sich selbst? Was wird sich dieser Petrus den Kopf zermartert haben über die Frage: Ist das, mein Freund, die einzige Möglichkeit? Ist das alternativlos? Hat Gott keine andere Chance?
Wir wissen: Jesus hat sich nicht von seinem Weg abbringen lassen. Durch seine Art zu leben und die Menschen zu lieben, ist er zunächst am Kreuz und auch am Hass der Menschen gescheitert. Aber genau durch diese Art und Weise des Lebens und des Liebens Jesu wurde der Tod ohnmächtig. Am Ende stand eben nicht das Scheitern, sondern das neue Leben. Und so wird an Jesus selbst deutlich, was das Schriftwort bedeutet: Wer sein Leben verliert, wird es gewinnen.
Damit wir uns jetzt bitte nicht falsch verstehen: Natürlich ist das Leiden für Jesus weder schön noch erstrebenswert. Aber es ist im Endeffekt die Konsequenz seiner Art zu lieben. Es ist eine Liebe, die eben nicht aufhört, wenn es schwer oder unbequem wird, sondern die vorbehaltlos bis ans Ende geht. Das Leiden ist nicht das Ziel für Jesus – da würden wir ihn ganz gewaltig missverstehen – nein, das Leid, sein Leid, ist vielmehr ein Ausdruck seiner Liebe zu uns. Und Gott ist es, der ihn in diesem Leid und an diesem Kreuz nicht untergehen lässt. Er trägt ihn durch den tiefsten Punkt hindurch zur Auferstehung und zum Leben. Zwar sagt Petrus: „Das darf nicht geschehen!“ Aber es sollte und es musste wohl geschehen, damit wir mit unseren Kreuzen leben können. Dieser unser Gott will das Leben unter den Kreuzen und er will es trotz aller Kreuze. Genau das ist sein Anliegen und genau deshalb schont und verschont er nicht mal sich selbst.
Nun kann ich – können wir Christen – mit all diesen Überlegungen weder Zweiflern noch Skeptikern beikommen. Sie können zu recht auch weiterhin sagen: Das Christentum ist nicht in der Lage die Kreuze dieser Welt zu beseitigen – weder die kleinen, noch die großen. Es gibt weiter Ehekrisen, Arbeitsplatzverlust, Krebs, den Verlust geliebter Menschen – den Tod in all seinen Facetten. So unbarmherzig es klingt – es ist so! Wir haben als Christen keinen anderen Weg, mit dem Leid in dieser Welt zu leben, als eben all diese kleinen und großen Kreuze zu tragen. Das ist schwer zu verstehen und es ist noch schwerer zu bejahen. Aber seit dem Kreuzestod und seiner Auferstehung ist Jesus mit uns und unseren Kreuzen unterwegs. Deshalb ist unser Hoffnungszeichen nicht irgendein Bild der Verklärung, sondern das Kreuz, der Gekreuzigte selbst. Wir können unsere Kreuze auf uns nehmen, weil Christus bei uns ist und der Weg mit ihm zum Leben führt. Diese Sicht- und Glaubensweise nimmt uns zwar unsere Kreuze nicht ab, aber so können wir vielleicht eher versuchen, mit ihnen zu leben.
Ist Ihnen schon mal aufgefallen: Wenn man ein Kreuz noch einmal durchkreuzt, dann entsteht daraus ein Stern – und ein Stern bedeutet Leben. So wie wir es auch von den Anzeigen in den Zeitungen her kennen. Genau dieser Stern aber ist das Geheimnis unseres Glaubens: + gestorben und * auferstanden. Sicherlich: das Kreuz bedeutet das irdische Ende ohne Wenn und Aber. Doch Gott schenkt Vollendung, weil er vor unser Leid sein Kreuz setzt – das große Pluszeichen für unser Leben. Wir können unsere Kreuze ablehnen, wir können über sie fluchen und an ihnen verzweifeln; aber wir können sie einfach auch nur annehmen im Vertrauen darauf, dass wir durch sie das Leben finden.
In früheren Generationen haben sich Menschen weit häufiger bekreuzigt als dies heute der Fall ist. Vermehrt finden wir dies in der Öffentlichkeit aber immer noch in den südlichen Ländern, wie hier auf den Kanaren. Ob die Menschen damit etwas Magisches verbinden, ich weiß es nicht. Vielleicht verstehen sie aber auch einfach nur besser, was es heißt, in den alltäglichen Situationen unseres Lebens das Kreuz Gottes davor zu setzen. Aus diesem Kreuz, aus diesem Plus können wir den Mehrwert unseres Lebens – z.B. schon am frühen Morgen erahnen und uns zusprechen. Oder wenn ich an meine schwäbische Heimat denke, da gibt es, wenn man nicht mehr weiter weiß den Spruch: „Do kasch bloß no’s Kreuz mache.“ Für alle Nichtschwaben: Da kannst du nur noch das Kreuz machen. Nur eine Redensart? Ich meine eher eine Lebenswahrheit. Denn wenn wir Menschen an Grenzen kommen, dann hilft – so paradox das auch klingen mag – das Kreuz Jesu. Denn es verheißt Leben und schenkt Lust am Leben. Amen.

Infos unter:

Erstellt am: 01.09.2014 12:27 Uhr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert