Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Erinnern Sie sich noch an das letzte Kompliment, verehrte Schwestern und Brüder? Dabei spielt es nun keine Rolle, ob Sie es jemandem gemacht haben oder ob sie es bekommen haben. Oder machen Sie sich gar nicht aus Komplimenten und geben auch keine? Das fände ich schade. Mir jedenfalls tun Komplimente gut.
Neulich zum Beispiel: „Haben Sie zwei Minuten Zeit?“ fragte mich eine Frau, der ich öfter begegnet bin, aber wir hatten eigentlich nie richtig miteinander gesprochen. „Ja, natürlich“, sagte ich. „Wissen Sie, ich wollte es Ihnen immer schon mal sagen, es liegt schon lange zurück, Sie werden sich nicht mehr daran erinnern, aber Sie haben mir damals sehr geholfen…“ Und dann erzählte sie, und ich konnte mich wirklich nicht mehr erinnern. Aber es hat mir gut getan, dass sie es mir erzählt hat nach so langer Zeit. Und ich habe mich nachher gefragt, warum ich oft selber so sparsam und zögerlich bin, jemandem zu sagen, wo er mir geholfen hat oder auch, wo mich das, was er getan oder gesagt hat, gefreut hat.
Natürlich gibt es auch leere, überflüssige Komplimente, Schmeicheleien, mit denen sich jemand sozusagen „einschleimen“ will. Und es gibt natürlich auch diese vergifteten Komplimente, in denen eine schmerzhafte Wahrheit versteckt ist. So kenne ich immer noch den Spruch eines alten Mesners aus meiner Zeit in Deutschland, der immer dann, wenn ihm weder die Predigt noch die Gebete gefallen haben, zu mir sagte: Sie haben die Lieder gut ausgewählt!
Aber auf Anhieb fallen mir fünf oder sechs Komplimente oder Rückmeldungen ein, an die ich mich gerne erinnere, immer mal wieder – und die mein Selbstwertgefühl stärken und die mich aufmuntern können in den kleinen Verstimmungen. Für die großen Krisen, wenn ich mir vollkommen wertlos vorkomme oder mich total überschätze, da hilft mir eher der Ratschlag eines jüdischen Rabbi. Er hatte seinen Schülern empfohlen: Jeder von euch soll sich zwei Taschen an seinen Rock machen. In die rechte Tasche sollst du einen Zettel stecken mit den Worten: „Ich bin nur Erde und Asche!“ Und in die linke Tasche stecke einen Zettel, auf dem steht: „Um meinetwillen hat Gott Himmel und Erde gemacht!“ Beides ist wahr. Und je nachdem, in welcher Lage ihr euch befindet, sollt ihr in die rechte oder linke Tasche greifen.
Ja, wenn ich wirklich an mir selbst zweifle, dann hilft mir die Erinnerung daran, wie wichtig ich für Gott bin. Aber es ist auch schön, wenn ich spüre, ich bin für andere Menschen wichtig. Und ich kann anderen zeigen, dass Sie für mich wichtig sind und wie ich mich über sie freue. Wenn ich also heute Abend auf diesen Tag zurückblicke, werde ich mich fragen: Habe ich heute versäumt, jemandem ein Kompliment zu machen?
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Erstellt am: 05.09.2014 18:55 Uhr