Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer!
Zwei Mönche gingen in Tibet über Land. Als sie an einen Fluss kamen, trafen sie dort eine junge Frau, die an das andere Ufer wollte, sich wegen des reißenden Wassers aber nicht getraute, hindurch zu waten. So nahm der jüngere der beiden Männer kurz entschlossen die zaghafte Frau auf seinen Rücken und trug sie über den Fluss, um sie dann ihres Weges ziehen zu lassen. Und auch die beiden frommen Mönche zogen weiter. Aber ganz gegen seine Gewohnheit blieb der ältere der beiden seltsam wortkarg. Ein Kummer schien ihn zu bedrücken. „Was hast du, dass du so unwirsch, so einsilbig bist?“, wollte endlich der jüngere Mönch wissen. Da antwortete ihm sein Begleiter vorwurfsvoll: „Du weißt doch, dass es uns verboten ist, eine Frau zu berühren! Wie konntest du es wagen, jenes Mädchen auf deinem Rücken über den Fluss zu tragen?“ Da entgegnete der junge Mönch dem alten mit ruhiger Stimme: „Ich habe sie hinüber getragen und am anderen Ufer wieder abgesetzt. Du aber trägst sie noch immer. Wer nachträgt, trägt schwer“.
Viele tragen viel und lange vieles mit sich herum. Dieses mit sich herumschleppen belastet, drückt nieder und macht nur Ärger und Verdruss. Dabei sind dies oft nicht wirklich schwerwiegende Geschichten, die uns da so sehr niederdrücken, sondern die sogenannten Kleinigkeiten, die kleinen Verletzungen des Alltags, die diesen Stress verursachen. Aber jeder, der so denkt und lebt, schadet sich letztendlich selbst am meisten. Denn dieser Ballast erzeugt negative Gedanken, diese gewinnen die Überhand und nehmen Besitz von diesem Menschen und kontrollieren ihn. Wertvolle Kapazität, die positiv fürs Leben eingesetzt werden könnte, geht dadurch verloren. Und letztlich macht dies aus einem offenen Menschen einen Menschen mit verschlossenem Herzen. Und ein Mensch mit einem verschlossenen Herzen ist letztlich krank. Ein vertrauendes, offenes Herz aber tut den Menschen gut. Es wird Erfahrungen machen, die weh tun, aber ein offenes Herz kann mit solchen Erfahrungen umgehen und sie verarbeiten, und deshalb wird nichts außer Ablagerungen und kleinen Narben auf einem solchen Herz zurückbleiben. Und was ein solch offenes Herz auch noch hat, ist Zeit. Viel Zeit, denn es verliert keine Zeit damit, nachtragend zu sein, und hat deshalb Zeit übrig für die anderen – vielleicht auch für Sie und für mich.
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Erstellt am: 17.09.2014 13:37 Uhr