Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Verehrte Schwestern und Brüder, „da kommt man doch immer wieder in Versuchung“, sagt Tante Erika, die mit Onkel Erwin beim Einkaufen ist. Die beiden begleiten uns ja mal wieder in dieser Woche mit ihren Glaubensgesprächen. Aus der Bäckerei duftet es nach frischem Kuchen, nach Brot und gerösteten Mandeln. „Ich glaub, die machen das absichtlich, weil ich dieser Versuchung einfach nicht widerstehen kann.“
„Vielleicht leiten sie ja die Abluft aus der Backstube direkt auf die Straße“, sagt Erwin, „das trau ich denen durchaus zu.“ – „Aber das ist doch gemein, wo ich doch schon genug damit zu tun hab, dass ich mein Gewicht halten kann“, seufzt und stöhnt Tante Erika.
„Vielleicht solltest du einfach das Vaterunser öfter beten“, spottet Erwin. – „Bitte was?“, entrüstest sich Erika. „Ja, da heißt es doch: Und führe uns nicht in Versuchung.“ – „also ich bitte Dich, das ist ja wohl nicht damit gemeint.“ – „Und was dann?“, fragt Onkel Erwin. „Wenn ich nachdenken soll“, sagt sie, „müssen wir erst mal von hier weg.“ Sie gehen noch ein paar Schritte. „Tja“, Erika überlegt. „Was fällt mir da ein zur Versuchung? …Ach, aus dem Alter sind wir doch eigentlich schon raus.“
„Du meinst, wenn ich hinter einer schönen jungen Frau herschaue“, meint Erwin. „Na ja, wenn du nur hinterher schaust – das gönn ich dir ja“, sinniert Erika. „Aber wenn es weiter ginge, wäre ich in Versuchung geraten?“, sagt Erwin. „Ja, bist du doch auch schon, oder?“
Erwin wird ein bisschen verlegen.
„Und du denkst, das ist gemeint, wenn man betet: Führe uns nicht in Versuchung?“ „Ja“, sagt sie, „war ja nur ein Beispiel.“ – „Irgendwie kann ich das nicht glauben.“ –
„Und warum nicht?“, fragt Erika. „Also, ich hab das damals schon sehr ernst genommen.“ – „Ja“, sagt er, „aber hör doch mal genau hin. Es heißt: Führe uns nicht in Versuchung. Wer führt denn da wen?“
„Ach so“, sagt sie, „das sagt man ja zu Gott.“ „Genau“, sagt Erwin, „und glaubst du, dass Gott nichts anderes zu tun hat, als mir zum Beispiel ein nettes junges Mädchen über den Weg zu schicken, damit ich auf dumme Gedanken komme? Nein, was mir auffällt beim Vaterunser, das ist, dass es bei jedem Satz um etwas zwischen Gott und uns Menschen geht. Immer irgendwie um diese Beziehung. Aber was wäre es dann bei der Versuchung?“
„Da fällt mir nur eins ein“, sagt Erika. „Die größte Versuchung ist doch, dass wir Menschen sein wollen wie Gott. Dass wir denken, wir brauchen ihn nicht. Und dass wir unsere Grenzen nicht einhalten. Sein wollen wie Gott, aber nicht im geringsten Verantwortung übernehmen fürs Ganze. Dass wir meinen, wir stehen drüber, dabei sind wir nur ein kleiner Teil davon.“
„Schau an“, sagt Erwin. „Was dir da eingefallen ist. Wollen wir uns zur Belohnung nicht ein Stück Kuchen gönnen?“
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Erstellt am: 29.09.2014 14:08 Uhr