Einen guten Wochenanfang Ihnen allen, liebe Schwestern und Brüder!
„Willst du Gott sehen? Blicke das Gesicht deines Nachbarn an. Möchtest du ihn hören? Lausche auf das Weinen eines Kindes, das laute Gelächter einer Party, auf das Rascheln der Bäume im Wind. Möchtest du ihn berühren? Fasse jemanden bei der Hand. Oder berühre den Stuhl, auf dem du sitzt, oder das Buch, das du liest. Oder werde nur still, werde dir der Empfindungen deines Körpers bewusst, spüre, wie seine Allmacht in dir am Werk ist und wie nahe er dir ist.“
So schreibt der englische Jesuit Anthony de Mello über Gott. Er findet Gott in den Gesichtern der Menschen, in alltäglichen Geräuschen, im Spüren des Körpers. Manchmal ist das wunderbar leicht: Wenn ich mit mir und der Welt so richtig in Einklang bin, dann ist es auch in aller Regel leicht mit Gott. Wie häufig sitze ich aber da, hab‘ mal wieder mit meiner Frau eine Meinungsverschiedenheit ausgetragen oder mit jemandem gestritten und soll dann im Gesicht des anderen Gott erkennen? Wie oft gehen mir die Geräusche da draußen auf der Straße oder in der Stadt so gewaltig auf die Nerven, dass ich den Krach der Autos und die laute Musik oder das schrille Reden der Menschen einfach nur mehr schrecklich finde, von mir selber ganz zu schweigen? Da höre ich Gott nicht und spüre ihn auch nicht. Da scheint er ganz weit weg zu sein.
Doch in Wirklichkeit ist es genau umgekehrt: Nicht Gott ist weit weg, sondern ich selbst. Und warum? Weil ich viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt bin, viel zu sehr in mich vergraben. Gott ist da und wartet– ich aber bin verschlossen und wende mich ab. Schließlich ist es doch auch undenkbar, dass er mich mag, wenn ich mich gerade mal wieder selbst nicht leiden kann. Also: Bleibe ich trotzig und einsam zurück. Wie komme ich da bloß wieder heraus? Eine mir über Jahre vertraut gewordene Ordensschwester hat mir mal eine Lösung mitgegeben. Eine paradoxe Lösung. Denn sie sagte zu mir: „Sprich Gott an, wenn du ihn nicht spürst. Halte ihm dein Elend entgegen. Sag ihm, dass du so verschlossen bist. Sonst nichts. Vergiss es, irgendwas tun zu wollen. Warte – sonst nichts. Und überlass den Rest ihm. Er wird dafür sorgen, dass du ihn wieder hörst.“
Und was soll ich sagen? Recht hat sie. Wenn ich aufhöre, nur um mich zu kreisen – dann höre ich Gott wirklich irgendwann wieder im Weinen eines Kindes oder im lauten Gelächter einer Party, und ich sehe Gott im Gesicht meines Nachbarn und spüre ihn in dem Buch, das ich gerade lese. Dann erkenne ich, wie nahe er mir ist.
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Erstellt am: 03.11.2014 19:15 Uhr