Predigttext 1. Thess 1,2-10,
Liebe Gemeinde, was Paulus in seinem Brief an die Christen in Thessalo-nich schreibt, ist schon so lange her, dass ich Ihnen diese Gemeinde ein wenig vorstellen möchte. Die Gemeinde in Thessalonich war nach Korinth der Vorort der urchristlichen Mission in Griechenland. Paulus hat sich, von Philippi kommend, eine Zeit lang dort aufgehalten und eine rasch aufblühende heidenchristliche Gemeinde gegründet. Ihre Lage an Land- und Seehandelsrouten machte die Stadt schon früh zu einem kommerziellen und strategischen Zentrum.
Man kann sich vorstellen, dass dort nicht nur die reichen Handelsleute
wohnten, sondern auch Menschen, die versuchten, vom übermächtigen Welthandel, den die Römer betrieben, auch ein wenig zu profitieren und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Es gab Juden, denen die Predigt des Paulus nicht passte und die einen Aufruhr anzuzetteln versuchten, woraufhin Paulus und seinen Begleiter Silas die Stadt verlassen mussten.
Elend und sittliche Verkommenheit unter der großen Masse herum-
lungernder Gelegenheitsarbeiter und Wohlleben und Luxus lebten in
Thessalonich auf Tuchfühlung, auch in der kleinen christlichen Gemeinde.
Sehr verschiedene Menschen waren es also, die durch die Christuspredigt
erfasst wurden und sich in der neuen christlichen Gemeinde zusammenfan-
den und engagierten.
Wir können uns gar nicht vorstellen, wie mächtig, reich, vielfältig und
ungestüm die Wirkung war, wenn einer Christ wurde. In Thessalonich
lebte man in einer Begeisterung.
Der Grund dieser Begeisterung? Lassen wir Paulus selbst sprechen:
»Ihr seid unserem Beispiel gefolgt und dem des Herrn und habt das
Wort aufgenommen in großer Bedrängnis mit Freuden im Heiligen Geist,
so dass ihr ein Vorbild geworden seid für alle Gläubigen in Mazedonien und Achaja.«
Ich möchte, liebe Gemeinde, den Begriff »Freude im Heiligen Geist« in
unsere Sprache zu übersetzen versuchen. Mich reizt es zu sagen: »Ihr
Thessalonicher, ihr habt einen charmanten Gott für euch entdeckt. Ihr
habt in der Person Jesu von Nazareth einen neuen Gott für euch gefunden.
Einen Gott, der nicht dauernd straft und mies macht. Ihr Thessalonicher habt endlich eure Vorstellung von Gott, Opa mit langem Bart im Himmel preisgegeben. Ihr habt endlich eure mühseligen Versuche aufgegeben, Gott in der Natur und Philosophie entdecken zu wollen. Ihr habt endlich den Ort gefunden, wo Gott wirklich ist: bei den Einsamen, bei den Menschen, die unter Depressionen leiden und Menschen, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden, bei den überlasteten Müttern, bei den Arbeitslosen. Ihr Thessalonicher, ihr seid in Ordnung, denn ihr habt herausgefunden, dass Gott da ist in seiner unendlichen Güte.
Ich bewundere euch, weil ihr einen Gott habt, der ganz nahe bei euch ist,
ihr seid einfach charmante Christen! Ich danke Gott unablässig, wenn ich an euch denke, wie ihr als Christen attraktiv seid, dass ihr eine Liebe ausstrahlt, die zur Umarmung reizt, dass man bei euch sich einfach wohl fühlt, dass man bei euch Können und Kompetenz verspürt, dass man bei euch einfach spürt, man ist wer! «
Wenn ich an die »ideale« Gemeinde von Thessalonich denke, dann muss ich
mich schon fragen: Hat Gottes Charme, hat Gottes intensives Zugewandt-
sein zur Welt – was ihn immerhin seinen einzigen Sohn gekostet hat – bei
uns heute keine Chance mehr?
Warum ist der Frust so groß, wenn man an manchen Orten das Wort Kirche hört? Warum werden die Kirchen immer leerer, außer an Weihnachten?
Warum trauen wir uns viel zu wenig, mit unseren Gaben spielerisch leicht
umzugehen? Warum ist es so, wie ich es einmal erlebt habe: Ich treffe eine
Frau, die eine andere schwer kranke Frau betreut. Als ich mit ihr ins
Gespräch komme und feststelle, dass diese kranke Frau auch noch starke
Eheprobleme hat, sagte sie zu mir: »Ja, wissen Sie, ich weiß davon, ich will
mich da nicht einmischen, das ist doch nicht meine Aufgabe, Herr Pfarrer,
sondern die Ihre.« – Ja, ich frage mich nur warum: Jede und Jeder kann trösten und helfen! Wie viel Überzeugtsein, dass man da nicht helfen kann oder will, spricht aus der Äußerung der Frau!
Liebe Gemeinde, ist es nicht so, dass der Charme Gottes sozusagen korbweise auf der Straße herumliegt, dass wir es nur verlernt haben, mit der Liebe Gottes phantasievoll umzugehen?
Ich soll wissen wer ich bin, weil da nämlich vor bald 2000 Jahren in Israel ein Mann es verstanden hat, spielerisch den Charme Gottes, die Liebe Gottes unter die Menschen zu verteilen. Als Christ bin ich wer und muss nicht erst wer werden, wie es mir tagtäglich die Werbung einhämmert.
Von Jesus Christus her stehen wir nicht unter dem unmenschlichen Zwang, Erfolg im Leben haben, den starken Macher oder Macho spielen zu müssen.
Ich darf so sein wie ich nun einmal bin und darf mich freuen, dass ich so
manches kann und brauche auch nicht traurig zu sein, wenn ich manches
nicht kann. Vor allem darf ich Mut dazu haben, meine mir von Gott
geschenkten Gaben und Fähigkeiten zu suchen, zu finden und mit ihnen
zu leben und spielerisch mit ihnen umzugehen, denn ich bin doch Ebenbild
Gottes.
Paulus beschreibt den Glauben konkret. Und mir kommt der persönliche Lebensbereich in den Sinn: selbst gebastelte Geschenke, mit anpacken im Haushalt oder einfach ein Lob für einen Menschen, der meinen Weg kreuzt. Auch in einer Kirchengemeinde gehören Liebe und Arbeit zusammen. Der liebevoll gebackene Kuchen, der schön gedeckte Tisch oder die Idee für ein neues und schwungvolles Gemeindeleben.
Zu dem Glauben und der Liebe gesellt sich noch eine dritte Kraft. Das ist
die Hoffnung. Glaube, Hoffnung, Liebe ist der Dreiklang, der in unserem Text anklingt. Im „Hohen Lied der Liebe“ (1. Korinther 13,13) formuliert Paulus in Vollendung diese Gedanken. „Die Liebe ist die Größte unter ihnen“.
Aus der kleinen Glut wird eine lodernde Flamme. Wir können freudig mit Paulus einstimmen: »Ihr seid unserem Beispiel gefolgt und dem des Herrn und habt das Wort aufgenommen mit Freuden im Heiligen Geist. « Das wünsche ich auch unserer Gemeinde hier von ganzem Herzen – vollkommen und unvollkommen, wie wir sind.
Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen
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Erstellt am: 09.09.2012 17:54 Uhr