1.Sonntag nach Trinitatis

Liebe Gemeinde,
Im eben gehörten Bibelabschnitt setzt sich der Prophet Jeremia mit Propheten auseinander, die wie er beanspruchen, Gottes Wort zu verkündigen. Jeremia wirft seinen Kollegen vor, sie würden nicht Gott, sondern sich selbst, ihre eignen Wünsche und Träume, zur Sprache bringen.

Im Namen Gottes fordert er seine Mitbewohner auf, den falschen Propheten kein Gehör zu schenken: So spricht der Herr Zebaoth: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch; denn sie verkündigen euch Visionen aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des Herrn.
Auch wirft Jeremia seinen Kollegen vor, dass sie dem Volk nach dem Munde reden, dass sie nur das sagen, was die Leute hören wollen. Sie sagen denen, die des Herrn Wort verachten: Es wird euch wohlgehen -, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.
Nach Jeremia verkennen die Propheten, die alles schön reden, die ernste Lage, in die sich die Verantwortlichen von damals selbst gebracht haben. Die Bedrohung Judas durch die Babylonier ist noch nicht vorbei. Anstatt die Bewohner Jerusalems wach zu rütteln und zum Umdenken zu bewegen, verharmlosen die falschen Propheten die
Lage und gießen so Öl ins Feuer.
Ganz anders als die falschen Propheten und die damals Verantwortlichen sieht Jeremia  die Situation seines Volks. Wenn es zu keiner Einstellungsveränderung, zu keiner Umkehr kommt, ist die drohende Katastrophe nicht mehr aufzuhalten, auf die Jeremia im Text ausdrücklich hinweist: Es wird ein schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen. .Jeremia hat dies im Jahr 587 selbst noch miterlebt, als Jerusalem und der Tempel zerstört und die Bewohner nach Babylon ins Exil weggeführt wurden.
Die Ansage der kommenden Katastrophe und die entschiedene Ablehnung der damals Verantwortlichen haben ihre Gültigkeit in einer besonderen geschichtlichen Situation und muss von uns heute nicht in gleicher Weise übernommen werden. Auch reden wir heute von Gottes Wirken in der Geschichte anders als es Jeremia tut.
Gleichwohl enthält unser heutiger Predigtabschnitt Aussagen, die auf Grundsätzliches
hinweisen. In der Auseinandersetzung Jeremias mit seinen Kollegen begegnet uns eine Anfrage, mit der sich eigentlich jeder Prediger im Laufe seines Dienstes auseinander setzen muss.
Ich denke beispielsweise an die Frage:
Predige ich im Auftrag Gottes, bringe ich Gott zur Sprache, oder nur mich selbst, meine eigene Wünsche und Träume?
Im Text heißt es von den Propheten zur Zeit Jeremias:
Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt … und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt.
Träume sind nicht generell etwas Negatives, aber wo sie keine Verbindung mit der Realität mehr haben, wo wir uns täuschen lassen, wo wir den Kontakt zu uns und zu Gott verlieren, da ist es notwendig, dass wir darüber nachdenken und uns davon distanzieren. Die Frage, ob in der Predigt Gott und nicht bloß allzu Menschliches, Träume, zur Sprache kommen, ist eine Frage, die sich nur schwer beantworten lässt. Sie weist zugleich auf die besondere Herausforderung hin, die mit dem Predigen verbunden ist. Karl Barth, ein Schweizer Theologe, hat diese Herausforderung so beschrieben: „Wir sollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden.“ Karl Barth deutet eine Antwort an, indem er fortfährt: „Wir sollen beides, unser Sollen und Nichtkönnen wissen; und dadurch Gott die Ehre geben.“ Das Wissen um unsere Grenzen (eben dass das Endliche das Unendliche doch nicht fassen kann) bewahrt vor Selbstüberschätzung  macht auch bescheiden – demütig, wie das in der Bibel genannt wird. Auch Jeremia weiß um diese Begrenztheit, wenn er schreibt: Aber wer hat im Rat des Herrn gestanden, dass er sein Wort gesehen und gehört hätte?
Nein, liebe Gemeinde, auch wir ordinierte Pfarrer haben den sogenannten Laien nichts voraus. Wir sitzen nicht im himmlischen Rathaus, um alle Ereignisse und Widerfahrnisse deuten oder gar voraussagen zu können.
Wir wissen auch nicht, warum ein Leben so und nicht anders verläuft, warum manche Menschen viel Schweres, andere scheinbar weniger, im Leben zu tragen haben.
Auch wenn wir auf viele Fragen keine befriedigende Antworten finden, so sind wir doch nicht allein gelassen.
Denn Gott spricht zu uns durch Menschen und in Begegnungen mit  seiner Schöpfung, wenn wir dafür offen sind.
Diese Unmittelbarkeit, Gott und seinem Wirken in der Schöpfung zu begegnen, können wir von christlichen Mystikern  lernen.  Meister Eckhart hat es so ausgedrückt. „Jeder Mensch ist ein Buch und Gottes voll“.
Um dies wahrzunehmen, da brauchen wir ein tieferes Sehen – ein Sehen mit dem Herzen.
Ich denke, auch Propheten wie Jeremia,  können uns ermutigen, Gott unmittelbar zu suchen und zu erfahren.
Im heutigen Text werden wir auf Gott und auf sein Wort ausdrücklich hingewiesen: „Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort.“
Mit dieser Aussage ist der Weg einer Antwort angedeutet, was einem Prediger hilft,
Gott zur Sprache zu bringen: Es ist das Hören auf Gottes Wort, auf sein Wort in der Bibel. Wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort.
Auf die Predigtvorbereitung bezogen heißt das, dass vor dem Reden  das eigene, inwendige Hören stehen muss, um Gott in der Predigt zur Sprache zu bringen.
Wir haben Gottes Wort in der Bibel, in der Gott zu uns spricht.
In der Schriftlesung, im Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus, wird diesem Hören einen hohen Stellenwert zugemessen, wenn es da heißt:
„Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.“
Wir Christen haben Gottes Wort – wir haben Mose und die Propheten und wir haben
Gottes Wort im Wort und Geschick Jesu.  In ihm hat er uns alles gesagt, was wir brauchen und was uns wandelt und heilt. In ihm ist uns Gott nahe und hat sein Wort gegeben, das inwendig brennt und Versteinerungen aufsprengt..
Gott selbst schenke uns ein Hören, dass wir die Zusage am Ende unseres Textes  in uns erfahren: Ist mein Wort nicht wie Feuer, spricht der Herr, und wie ein Hammer, der Felsen zerschlägt?     Amen

Infos unter:

Erstellt am: 10.06.2012 17:33 Uhr

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